Erinnert ihr euch noch an die Popband No Doubt? Jene Band mit der wasserstoffblonden Frontsängerin Gwen Stefani, auf die man bereits damals nur mit knallroten Lippen in Video und Presse gestossen ist und die auch heute noch während ihrem Mutterdasein erdbeerroten Lippenstift trägt, während sie mit ihren Kindern auf dem Spielplatz spielt? Vor ca. zehn Jahren galt sie als eine ‚Powerfrau‘ – so hat sie sich zumindest in ihren Musikvideos dargestellt. Eines dieser Musikvideos war jenes zum Song „I’m Just a Girl“, das 2003 die Teenie-Girls in ihren Zimmern zum Mitgröhlen veranlasste.

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Doch waren sich die Teenies, ich definitiv eingeschlossen, bewusst, was dieser Song mit seinem Musikclip aussagen sollte? Vermutlich haben wir den Titel („I’m Just a Girl“) zu wörtlich genommen, ohne zwischen den Zeilen zu lesen. Was sollte es denn Negatives daran geben, „just a girl“ zu sein? Heute – als Studentin der Gender Studies – eröffnet mir dieses Lied eine Menge an feministischen Interpretationsmöglichkeiten. Denn anders als andere Popsongs handelt es sich hier weder im Clip noch in den Lyrics um irgendein Techtelmechtel zwischen zwei sich anhimmelnden Individuen, wobei der oder die andere früher oder später an Herzschmerz leidet. Hier geht es um eine ironische Auseinandersetzung mit der Wertigkeit von Mädchen und Frauen – und der Trennung von Toiletten (dazu aber später mehr).

Das Video startet mit Bildern von Stefani und ihrer Band, die ihr Musikequipment aus einem Haus zu ihren Autos tragen. Als der Gesang startet, steht Stefani vor einem roten, vollkommen zerbeulten Auto, die Fussspitzen zeigen aufeinander. Sie trägt ein bauchfreies Top, ihr blondes, gewelltes Haar ist mit einer kleinen Haarspange befestigt. (Ehrlich gesagt erinnert mich diese Art an mich selbst, als ich um die 14 war und natürlich bauchfrei und Haarspangen trug und ich zu schüchtern war, um mit selbstbewussten Posen auf mich aufmerksam zu machen.) Genau so verhält sich auch die Sängerin von No Doubt vor dem verschrotteten Auto, als sie sich kaum und sehr versteift bewegt und ihre beiden Fussspitzen einfach nicht voneinander ablassen können. Ihre Worte „Don’t you think I know exactly where I stand“ scheinen hier schon mit einer durchaus ironischen Note versehen zu sein.

Die Band macht sich auf dem Weg – man könnte es annehmen – zu einem Konzert. Doch sie betreten Toiletten. Die Bandmitglieder, welche alle männlich sind, entern einen verdreckten, völlig zerstörten und dunklen Sanitärraum, verkalkte Pissoirs an den Wänden, während Stefani mit ihrem Handtäschchen einen farbigen, mit Blumen ausgestatteten und sauberen Handwaschraum vorfindet. Diese Bilder bedienen das Klischee von den „dreckigen Jungs“ und den feinen, peniblen Mädchen vollkommen. Doch anstatt auf die Toilette zu gehen, packen die Männer die Musikinstrumente aus und fangen an zu spielen. Währenddessen performt Gwen Stefani als Sängerin – immer noch in ihrem bauchfreien Oberteil steckend. Immer wieder sieht man auch ihr Gesicht in Nahaufnahme, als sie sich mit hochgezogenen Schultern, Schmollmund und Bambi-Augen als kleines, süsses Girlie zeigt. Doch auch hier versteckt sich Ironie, denn man erkennt nicht, dass der Betrachter des Videos ihr diese Mimik und Gestik abkaufen soll. Ironie kommt auch dann auf wenn sie mit sehr kräftiger, fast kratzender Stimme den Refrain singt, schon fast schreit, der so lautet:

‚Cause I’m just a girl, little old me
Don’t let me out of your sight.
I’m just a girl, all pretty and petite
So don’t let me have any rights.

Ein Widerspruch, solche Verse mit dieser Stimme zu singen, ausser es steckt eine feministisch angehauchte Botschaft dahinter, die genau das Gegenteil von den obigen Zeilen aussagen soll. Eine Aufforderung an all jungen Frauen, sich von dem Kleine-Mädchen-Dasein zu verabschieden und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Auch die nächsten Zeilen zeugen nicht von einem selbstbewussten Mädchen, das da spricht:

The moment that I step outside
So many reasons
For me to run and hide.
I can’t do the little things
I hold so dear
‚Cause it’s all those little things
That I fear.

Warum sie all diese kleinen Dinge fürchtet löst sie weiter unten auf mit den Worten „That’s all that you’ll let me be!“. Hier spricht sie auch das gesellschaftliche Bild an, das den jungen Mädchen auferlegt wird und sie zu ängstlichen und unselbstständigen Wesen macht. Auch könnte sie hier Eltern meinen, die ihre Tochter verwöhnen, ihr nichts zutrauen und sie deshalb vor Alltagssituationen, die die kleinste Gefahr in sich bergen, wie zum Beispiel das Autofahren bei Dunkelheit, „beschützen“ wollen.

Während weiter die Jungs in der zerstörten Herrentoilette abrocken und immer mehr Geschlechtsgenossen hinzukommen, füllt sich der Spiegel bei den Damen mit geschminkten Gesichtern von Frauen, um das Make-Up checken. Doch wer hätte das gedacht – auch diese fangen an abzutanzen und schliesslich gesellen sich die Männer zu den Damen – in der hübsch ausgeschmückten Damentoilette. Man könnte fast meinen, dass Erving Goffman sich diese Zusammenführung ausgedacht hat, wäre er noch unter uns. Denn der amerikanische Soziologe konstatierte, dass durch die Trennung der Toiletten in Frauen- und Männer-Örtchen die Geschlechterdichotomie konstant hergestellt und sogar verstärkt wird. Über dieses Video hätte er sich wohl sicher gefreut – so wie ich mich darüber freue, dass sich die Popmusik an wissenschaftlichen Theorien bedient.

 

Es grüsst euch Brandy Brown