Statement der Koautorin von „Wir Alphamädchen“ und Mitgründerin der „Mädchenmannschaft“

Unser Buch „Wir Alphamädchen. Warum Feminismus das Leben schöner macht“ erschien im Frühjahr 2008, ein paar Monate vor der ersten Ausgabe von Missy. Ich erinnere mich, wie aufgeregt wir waren, zu lesen, dass am anderen Ende der Republik eine Gruppe junger Journalistinnen dabei war, endlich das auf die Beine zu stellen, wovon auch wir und viele andere Frauen träumten: Ein junge, feministische Frauenzeitschrift. „Wir Alphamädchen“ war schließlich aus einer tiefen inneren Notwendigkeit entstanden, mehr Platz für feministische Kritik in der Öffentlichkeit zu schaffen.

In den Neunziger und Nuller Jahren hatte es einen gründlichen Backlash gegen öffentlichen Feminismus gegeben. Frauen durften doch längst arbeiten und abtreiben, und wer fand, dass es trotzdem noch Grund zu Protest gebe, konnte leichtfertig als überspannt bezeichnet werden. Meine Kolleginnen und ich hatten die Schnauze voll von Männern, die sich als Experten in den Angelegenheiten junger Frauen aufspielten, und wir hatten die Schnauze voll von Frauen, die sich auf Grund von Angst und dämlichen Vorurteilen gegen Feministinnen abgrenzten. Und, das hat man heute ja schon fast wieder vergessen, wir hatten die Schnauze voll von einer Meinungsmache, die sich auf scheinbar biologisch fundierte Argumente stützte, um die Unterschiede zwischen Frauen und Männern in der sozialen Ordnung als angeblich naturgegeben zu verteidigen. All das störte und wir sehnten uns nach einer Gemeinschaft von Frauen, die sich mit uns störte – und die wir in der etablierten Gegenöffentlichkeit nicht so recht fanden.

Die vielen Bucherscheinungen damals, die Gründung von Missy und schließlich auch die digitale Vernetzung von feministischen Aktivistinnen über Blogs und soziale Medien wirkten zunächst wie ein Trend. Man warf uns vor, wir würden nur schreiben und nicht handeln. Wir machten Medien, aber keine Revolution. Heute würde ich sagen, es ist eine Medienrevolution gelungen.

Feministinnen haben heute neue Räume für Meinungsaustausch und Debatten, in denen jede Frau sich äußern kann, und neue Protestformen, auf Twitter und auf der Straße. Egal wie man zu denen steht: Es ist zumindest erfreulich, wieder Frauen da draußen zu sehen. Und auch die Mainstream-Öffentlichkeit greift feministische Themen ganz selbstverständlich auf. Auf die Problematik der gläsernen Decke oder des Gehaltsgefälles zwischen den Geschlechtern können sich alle einigen, genauso wie auf die Forderung, Frauen sollten sich heute nicht mehr zwischen Kindern und einem eigenen Einkommen entscheiden müssen.

Das Frauenbild hat sich an die Marktwirtschaft angepasst – und genau deshalb ist die Situation für Frauen in den letzten Jahren trotz allem nicht ernsthaft besser geworden. Im Gegenteil: Die wachsenden sozialen Unterschiede treffen gerade die schwächeren Frauen: Alleinerziehende Mütter gehören zu den am stärksten von Armut bedrohten Mitgliedern der Gesellschaft. Ältere Frauen werden immer weniger geschützt, durch die „Modernisierung“ des Scheidungsrechtes zum Beispiel, das vor allem dafür sorgte, dass geschiedene Männer leichter noch mal eine Familie gründen können, weil sie der alten Frau kaum noch Unterhalt schulden.

Sexismus steckt in der Politik, in der Kultur und nicht zuletzt auch in den Privatbeziehungen. Es wird nicht weniger oder besser, es wird nur schwieriger, dagegen anzukämpfen. Auch, weil in unserer super-ausdifferenzierten feministischen Gegenöffentlichkeit, wo jede_r für sich selbst sprechen kann und sprechen will, ein neuer Zusammenhang zu einem Fallstrick für ein Ziel werden kann – Stichwort Privilegien.

Bei all den feministischen Stimmen, die wir nun endlich hören können frage ich mich, ob die kollektive Sprachlosigkeit nicht doch zu einem Problem wird. Wenn Feministinnen es nämlich nicht schaffen, sich wieder auf einen gemeinsamen Gegner zu besinnen, dann bleibt es am Ende bei einer Medienrevolution. Und genug ist das nicht.

Weitere Beiträge aus unserem Online-Dossier Queer-Feminismus gibt’s hier…