Liebe kann Inspiration sein. Sie lässt Menschen Großes vollbringen, doch genauso groß ist die Gefahr, sich in ihr zu verlieren. Anfang der 1950er Jahre reist die New Yorker Dichterin und spätere Pulitzer-Preis-Trägerin Elizabeth Bishop, die heute kaum mehr bekannt ist, nach Brasilien, wo sie die erfolgreiche Architektin Lota de Macedo Soares kennenlernt. 15 Jahre lang führen die beiden eine Liebesbeziehung. Wie soll es anders sein: Die Brasilianerin übernimmt dabei den leidenschaftlichen Part, wohingegen die Nordamerikanerin eher steif daherkommt. Trotz dieses zu genüge bemühten Klischees lässt man sich von den starken Künstlerinnen fesseln: Elizabeth ist kontrolliert, zurückhaltend, ihr Werkzeug ist das gestochen scharfe dichterische Wort, in das sie ihre Beobachtungen fasst. Die stolze, selbstbewusste Lota dagegen arbeitet mit handfestem Material, wenn sie als Architektin die Natur nach ihrem Willen gestaltet. Fast schon kitschig mutet allerdings die perfekt designte Sauberwelt der besseren brasilianischen Gesellschaft an. Homosexualität ist hier nichts, womit man aneckt, obwohl die Realität der 1950er Jahre anders ausgesehen haben muss. Das Umfeld, in dem sich Elizabeth und Lota in diesem vielleicht viel zu schönen Land, das kurz vor dem Militärputsch steht, bewegen, scheint etwas zu makellos. Die Frisur sitzt, genauso das Kostüm – doch auch der Flachmann ist stets griffbereit. Hinter der allzu glatten Fassade aus Erfolg und Leidenschaft brodelt es gewaltig, die Frauen drohen, sich und ihr kreatives Potenzial in Abhängigkeiten zu verlieren. Als Lota mit der Gestaltung des Parque do Flamengo in Rio beauftragt wird und Elizabeth einen Lehrauftrag in New York annimmt, bedeutet dies den schmerzhaften Verlust einer großen Liebe, der zur Bedingung für neues künstlerisches Schaffen wird. Text: Ana Maria Michel.

„Reaching for the Moon“ BR 2013 / Regie: Bruno Barreto. Mit: Miranda Otto, Glória Pires, Tracy Middendorf u. a., 114 Min., Start: 10.04.