Mädchen können heulen
Von
Protokoll von Hengameh Yaghoobifarah
Am U-Bahnhof Neukölln in Berlin treffe ich Estera (14), die eine Viertelstunde zu früh da ist und sich schon mal mit Anja unterhält, die ebenfalls auf uns wartet. Wir spazieren zusammen in den Körnerpark, in dem sie gern mit ihrer Familie picknickt. Anfangs ist Estera sehr schüchtern, hält ihren Kopf leicht gesenkt und meldet sich beim Small Talk nur mit kurzen Sätzen zu Wort. Wir unterhalten uns über Muttersprachen und wie unterschiedlich eine einzige Sprache sein kann, wenn sie in verschiedenen Ländern gesprochen wird. Sie erklärt, dass besonders Romanes so stark variieren kann, weil die Sprache sich in zahlreiche Dialekte entwickelt hat. „Sie wird vor allem mündlich weitergereicht“, sagt Estera. Sie ist eine von sieben Jugendlichen, die beim Roma Infozentrum Berlin ehrenamtlich Stadtrundgänge über Roma-Geschichte in Berlin anbieten.
Mit der Zeit taut sie auf, besonders dann, als sie ein Selbstporträt von sich zeichnet. Details wie ihren sauber geflochtenen Fischgrätenzopf, ihre geblümte Jacke und ihren verträumten Blick bringt sie originalgetreu aufs Papier. Als Anja ihre Fotos hat und sich von uns verabschiedet, setzen wir uns ins Parkcafé, beobachten die rauchenden Jugendlichen vor dem Fenster und Estera erzählt mir von ihrem Aktivismus, ihren Hobbys und ihren Wünschen.
„Ich mache in einer Theatergruppe mit und wir waren vor drei Jahren im Nachbarschaftsheim Neukölln. Als die Gruppenleiterin gefragt hat, wer beim Roma-Stadtführungsprojekt mitmachen will, habe ich mich gemeldet. Damals war ich 12, eigentlich durfte man erst ab 13 mitmachen. Ich bin mit meiner Theatergruppe zum Einführungstreffen gegangen. Das hat viel Spaß gemacht und wir waren alle neugierig und hatten Interesse an dem Projekt. Wir wollten auch mehr erfahren, weil wir selbst fast nichts wussten. Wir sind dann ins Rroma Infozentrum gegangen. Ich war schon mal da und habe dort sehr viel gelernt. Damals wusste ich noch gar nicht, was Roma sind – obwohl ich selbst eine bin – oder dass es ihre Geschichte in Europa gibt. Dann haben wir uns immer wieder getroffen, geübt und gelernt… sieben Monate lang. Bis heute steht das Projekt noch auf den Beinen.
Ich zeichne auch sehr gerne. Das mache ich schon seit meinem fünften Lebensjahr. Ich kann mich noch daran erinnern, als ich f…