Von Thi Yenhan Truong

Realverfilmungen von Animationen sind in Hollywood en vogue: Praktisch alle Disney-Filme werden derzeit mit Schauspieler*innen und allerhand Spezialeffekten umgesetzt. Jetzt war „Ghost In The Shell“ dran: Vorlage ist der Anime von 1995, der wiederum auf einem Manga von Masamune Shirow basiert. Bereits vor dem Kinostart des neuen Films gab es zahlreiche Kontroversen, als bekannt wurde, dass Scarlett Johansson die Hauptrolle des „Major“ übernehmen würde. Doch der Reihe nach.

Scarlett Johansson in der Hauptrolle als „Major“. © 2017 PARAMOUNT PICTURES

„Ghost In The Shell“ spielt in einer nicht genauer definierten Zukunft, in der die Technik so weit fortgeschritten ist, dass Menschen ihren Körper durch künstliche Organe und Gliedmaßen optimieren können. Alles ist miteinander vernetzt – eingeschlossen der eigene Körper, mit dem man bequem telepathisch kommunizieren kann. Die Handlung setzt an mit der Verpflanzung einer Seele, eines sogenannten „Ghost“, in eine künstliche Hülle, „the Shell“. Der Major, gespielt von Johansson, ist die Erste ihrer Art. Sie ist die ultimative Waffe, ein gelungenes Experiment, das perfekte Wesen aus menschlichem Geist und künstlicher Maschine. Gemeinsam mit den Verantwortlichen von Sektor 9 und ihrem Kollegen Batou versucht sie, einen geheimnisvollen Hacker dingfest zu machen, der sich in die künstlich erweiterten Menschen einhackt, in seine Kontrolle bringt und tötet.

Aus erzählerischer Sicht ist die Hollywoodverfilmung des Anime eher enttäuschend. Das japanische Original stellt wichtige Fragen zur menschlichen Existenz: Was bedeutet es, ein Mensch zu sein? Was ist Bewusstsein? Welche Macht haben Daten, und wann kann man von einem Bewusstsein bei Maschinen sprechen? Doch anstatt sich diesen Themen zu widmen und sie mit dem Wissen von heute umzusetzen, erhalten die Zuschauer*innen nur eine bedeutungslose Hülle von einem Film. Trotz gut eingesetzter 3D-Effekte und eines interessanten Set-Designs schafft die Neuverfilmung das Kunststück, actiongeladener und zugleich langweiliger zu sein als sein Anime-Vorgänger.

Wir sehen die typische monochrome Ästhetik zeitgenössischer Superheld*innenfilme, eine Art Origin-Story, die so schon gefühlte tausend Mal erzählt wurde. Der Plot ist verflacht, die Dialoge erklären den Zuschauer*innen ein bisschen zu explizit, was passiert und wie sie darauf zu reagieren haben. Aus einem philosophischen Gedankenexperiment über die Konsequenzen fortschreitender Technologisierung für die Menschheit wird eine öde Nabelschau, gepaart mit einem wenig spannenden „Who done it“-Krimiplot.

Dass der Film nicht besonders gut ist, ist aber noch nicht einmal das Problematischste. Viel schwerer wiegt das Whitewashing. Schon im Vorfeld waren die Proteste groß: Der Charakter des Major wird von einer weißen Frau gespielt, die gesamte Umgebung ist aber dank Architektur und Schriftzeichen klar als futuristisches Japan zu erkennen. Johansson trägt eine schwarze Perücke, ihr Make-up wurde derart gestaltet, dass sie „asiatischer“ aussieht. Man kann getrost von Yellowfacing sprechen.

Alle „echten“ asiatischen Figuren sind Nebendarsteller*innen oder dekoratives Beiwerk. Besonders schlimm trifft es die Frauen: Bis auf eine im letzten Drittel des Films gibt es keine einzige Asiatin mit einer Sprechrolle. Und das in einem klar als asiatisch erkennbaren Universum. Asiatinnen sind entweder stumme Stripperinnen, Passantinnen oder Geisha-Bots, die Männer bedienen – frei nach der Devise: weibliche Kick-Ass-Charaktere ja, aber nur, wenn sie weiß sind. Den Film als feministisches Werk zu verstehen klappt nur, wenn man sich auf weißen Feminismus beschränkt.

Als wäre das nicht schlimm genug, eliminiert der Film asiatische Existenzen regelrecht und macht dies zu einem Teil des Plots (Achtung, Spoiler): Am Ende entdeckt der Major, wer sie einst war – eine japanische Anarchistin namens Motoko Kusanagi, die entführt und in einem Experiment eines bösen Konzerns zum Major gemacht wurde. Wenn man die Prämisse des Films konsequent durchdenkt, ist der Subtext atemberaubend rassistisch: Einer asiatischen Frau werden Körper und Identität weggenommen, sie wird missbraucht. Das Ergebnis des Frankenstein-Experiments ist der Major: der perfekte Cyborg. Die Hülle für dieses ideale Wesen ist eine weiße Frau. Das heißt im Umkehrschluss, dass der asiatische Körper mangelhaft ist. Und Motoko ist nicht die Einzige, die eine Weißwaschkur erhält (Achtung, Spoiler): Ihr Freund Hideo, natürlich ein Japaner, ist ein fehlgeschlagenes Experiment – und seine „Shell“ lilienweiß.

Ghost In The Shell US 2017. Regie: Rupert Sanders. Mit: Scarlett Johansson,  Takeshi Kitano, Juliette Binoche, Michael Pitt, Pilou Asbæk, Kaori Momoi u.a., 106 Min., Kinostart: 30.03.

Ob der Film erfolgreich sein wird und Scarlett Johansson die Star-Power besitzt, um einen Kassenschlager zu produzieren (weswegen sie überhaupt gecastet wurde), muss sich noch zeigen. Aber man kann fast froh sein, dass für dieses eher mäßige Werk mit einer Extraportion Rassismus keine asiatischen Schauspielerinnen verbrannt wurden.