Nicht eure Party Animals
Von
Von Leyla Yenirce
Letztes Wochenende lud mich ein Freund zu einem Musik- und Performancefestival nach Dänemark ein. Als ich mir das Line-up anschaute, überzeugte es mich zu einem Abstecher. Yves Tumor, Cakes da Killa, Mykki Blanco: Künstler*innen, die ich mir gerne anhöre. Also fuhr ich hin, um dann enttäuscht festzustellen, dass sie alle erst ab ein Uhr nachts spielen. Ich war aber schon um 14 Uhr da, denn das Festival begann offiziell um zwölf Uhr. Tagsüber liefen statt meinen Lieblingskünstler*innen ziemlich viele Noise-Konzerte von weißen Musiker*innen und Panels, bei denen es um Politik und Nachhaltigkeit ging. Was mich wunderte, war, dass alle queeren, Schwarzen Musiker*innen nachts spielen und alle explizit hintereinander.
Der Gedanke lag nahe, dass die drei Schwarzen Künstler*innen nachts performen, da alle drei tanzbare Musik machen. Ein Party-Line-up also. Tagsüber dann die Musik von weißen Acts, die ziemlich düsteren Shit machen, weil ihr Leben so verdammt hart und schwer ist, während die Schwarzen Künstler*innen die wilden Party-Performances abliefern. Als ich unterschiedliche Besucher*innen fragte, auf wen sie sich am meisten freuten, war die Antwort überwiegend einheitlich; Mykki Blanko, weil die so richtig abgeht. Yeahhhhh Party!!!
Schwarze Künstler*innen sind also dazu da, die Menge bei Laune zu halten und ’ne fette Show abzuliefern. Ihre extrovertierten Auftritte haben nichts damit zu tun, dass sie vielleicht von einem Ort kommen, der gezeichnet ist von Rassismuserfahrungen und Identitätskämpfen, nein, sie dienen einzig und allein dazu, zu unterhalten. Was dabei unter den Tisch fällt, ist, dass ihre ekstatischen Shows einen tiefen politischen Kern besitzen. Sie sind laut, weil sie etwas zu sagen haben, und nicht, um eine weiße Menge bei einer von weißen Männern kuratierten Veranstaltung bei Laune zu halten.
Das Schlimmste: Die weiße Menge kann noch nicht mal richtig dazu tanzen, weil ihre Hüften zu steif sind. Am Ende werden mit ziemlich schlechten Moves dann postkoloniale Praktiken reproduziert, indem die Schwarzen Personen zu den Wilden, Verrückten, Bunten, Queeren gemacht werden, die laut ins Mikro schreien, während die weißen Acts cool und reserviert mit düsteren Klängen das Nachmittagsprogramm zieren. Parallel dazu läuft dann ein Panel zu nachhaltiger Entwicklung. Wenn es nämlich tagsüber um Inhalte geht, hat Mykki Blanco nichts zu suchen. Dass sie als Aktivistin ebenso relevant und politisch ist wie ihre Musik, interessiert niemanden. Dass Mykki in einem Tütü auf der Bühne steht, reicht schon.
Beim nächsten Mal, liebes Click-Festival: Durchmischt das Line-up doch ein bisschen besser. Mykki Blanco hätte ruhig auch schon um 18 Uhr spielen dürfen, während nebenan ein Talk über Nachhaltigkeit läuft. Ist ja schließlich ein Festival und dort wird auch tagsüber gefeiert und diskutiert. Dann wäre es nicht einfach nur Party, Party, bei der sich dann alle richtig auslassen können, während sie tagsüber konzentriert den weißen Performern zuhören, weil in ihren drohnigen Soundlandschaften ja mehr als nur Boom Bang und Spaß verhandelt wird.
Vielleicht können die Kurator*innen dann beim nächsten Jahr auch ein zweites Mal überlegen, ob sie eine Performancegruppe namens Asian Dope Boys einladen. Von denen ist nämlich weder jemand Schwarz, noch aus finanziellen Zwängen zum Drogenverkauf gezwungen. Sie geben sich aber trotzdem den Namen Dope Boys – einen Namen, den sich Schwarze Straßendealer aus den US-Südstaaten gegeben haben. Damit liefern sie dann eine Performance ab, die mit Schwarzer Kultur wenig zu tun hat. Das ist ziemlich „Anti-Black“, wie es der Musiker Yves Tumor ausdrückte, als wir uns über Rassismus auf dem Festival unterhielten. Aber dass kulturelle Aneignung nicht nur durch weiße Menschen geschieht, benötigt sein eigenes Kapitel.