Von Leyla Yenirce

Wieso werde ich auf deutsch angesprochen und meine Schwarze Freundin nicht? Diese Frage stellte ich mir neulich, als ich mit einer Freundin Konzerte gespielt habe. Wir haben eine gemeinsame Band und gingen auf eine kleine Tour. Jess hatte mir schon erzählt, dass sie ohne einen offensichtlichen Grund öfters auf Englisch angesprochen wird. Erst als wir mehrere Tage am Stück gemeinsam unterwegs waren, habe ich verstanden, was sie meint. Innerhalb weniger Tage ist es drei mal passiert, dass ich mit einem „hallo“ und sie mit einem „hello“ begrüßt wurde.

(c) Tine Fetz

Anfangs fand ich es noch lustig, weil es bescheuert ist, wenn eine Band mit mehreren Mitgliedern ankommt und die einzelnen Personen mit unterschiedlichen Sprachen angesprochen werden – während wir neben einander stehen. Aber auf dem zweiten Blick ist es leider gar nicht zum Lachen und nichts anderes als Rassismus. Sie ist eine Schwarze Künstlerin und deswegen wahrscheinlich aus einem afrikanischen Land oder den USA – aber garantiert nicht aus Deutschland.

„In welchen Land seid ihr eigentlich aufgewachsen?“, frage ich mich.

Ich bin von klein auf mit Schwarzen Menschen groß geworden, ebenso wie mein kleiner Bruder in der Grundschule oder mein älterer Bruder in seinem Fußballverein. Wer aus einer bestimmten sozialen Klasse kommt, hat ein anderes Verständnis einer heterogenen Gesellschaft. Nicht nur, weil man weiß, dass Deutschland ein heterogenes Land ist, sondern auch, weil man tagtäglich mit dieser Heterogenität lebt. Der Unterschied zwischen gewusster und gelebter Realität ist fein, aber er ist am Ende doch gravierend.

Dass Jess oft Englisch angesprochen wird, passiert ihr übrigens auch erst, seitdem sie sich als Künstlerin in der bildungsbürgerlichen Kunst- und Kulturszene bewegt, wie sie mir erzählte. Dort haben die meisten Menschen meist nur auf professioneller Ebene mit nicht-weißen Personen zu tun, eine Auseinandersetzung findet nur im Verhältnis zwischen Künstler*innen und Veranstalter*innen statt. Letztere lieben es, Performer*innen aus aller Welt in ihre Programme zu kuratieren, aber wenn man sich ihren Alltag anschaut, ist er ziemlich weiß. Warum interpretiert man sonst eine Person, die nicht so aussieht wie jemand selbst, gleich als international?

Ich wurde als PoC im Gegensatz zu Jess noch nicht auf Englisch angesprochen, wenn ich in Deutschland unterwegs war. Als Kanakin besitze ich immer noch andere Privilegien als eine Schwarze Person. Das war mir auch schon vorher bewusst, aber ist mir spätestens nach unseren gemeinsamen Ausflügen noch deutlicher geworden. Nicht nur beim Verhalten der Menschen in institutionalisierten Räumen, sondern auch in meinem eigenen Handeln. Nach unserem Konzert erzählte ich unseren Freund*innen empört über die Diskriminierungserfahrungen, die Jess machen musste. Sie bat mich wiederum, ihr zu überlassen, ob und wann sie solche Erfahrung in die Öffentlichkeit trägt. Sie hatte keine Lust zum Opfer gemacht zu werden – verständlich. Ich habe mich am Ende in Absprache mit Jess für den Text entschieden, auch wenn ich nicht betroffen bin, sondern lediglich beobachte.

Auf die englischen Begrüßungen reagiert Jess übrigens auf Deutsch und bringt die Leute damit ziemlich in Verlegenheit. Oder sie zeigt sich verwundert darüber, dass Veranstalter*innen selber Deutsch sprechen können. Man könnte natürlich auch einfach vorher schauen, woher die Künstler*innen kommen, die man bucht oder vielleicht nachfragen, ob die sie Deutsch sprechen können bevor man Mitglieder derselben Band unterschiedlich anspricht. Aber naja, man könnte….