Von Isabella Caldart

Es passiert sehr selten, dass eine Kurzgeschichte viral geht. Ist die Verfasserin eine komplett unbekannte Autorin, geschieht das praktisch nie. Doch im Dezember 2017 veröffentlichte das „New Yorker“-Magazin „Cat Person“ von Kristen Roupenian – und die Geschichte ging durch die Decke. Sie wurde nicht nur von zahlreichen Kritiker*innen besprochen und gefeiert, sondern auch stolze 2,6 Millionen Mal geteilt, insbesondere von jungen Leser*innen. Roupenian hatte mit ihrer Story über das Kennenlernen zweier Menschen samt seinen vielen sehr unangenehmen Situationen einen Nerv getroffen. Erzählt wird aus der Sicht einer zwanzigjährigen Frau, die zumeist die Schuld bei sich selbst sucht.

© Elisa Roupenian Toha

Es ist wenig überraschend, dass sich die Verlage darum rissen, das erste Buch der Autorin zu veröffentlichen; Berichten zufolge wurden mehr als eine Million Dollar dafür gezahlt. Auch in Deutschland ist das Interesse groß – die Kurzgeschichtensammlung, in der deutschsprachigen Übersetzung nach ihrer bekanntesten Story benannt, erscheint zeitgleich mit dem US- amerikanischen Original.Doch ist der Hype gerechtfertigt? Um es kurz zu machen: Ja. Neben der starken Titelstory brilliert Kristen Roupenian mit ihrem scharfen Blick für menschliche Abgründe. Sie weiß, wo es wehtut – und schreibt über den Punkt des Schmerzes hinaus.

Drastisch ist vor allem die erste Kurzgeschichte „Böser Junge“, in dem ein Paar einen guten Freund nach dessen Trennung bei sich aufnimmt, und ihn nach und nach immer sadistischer behandelt, bis es am Ende zur Kata-strophe kommt. Roupenian gelingt es auf faszinierende Weise, die allmähliche Eskalation – dient Sex zunächst noch dem Lustgewinn, wird er zum Machtinstrument und münd…