Von Christian Schmacht

Manchmal, wenn ich schlechte Laune habe, denke ich an Kontroversen innerhalb der queeren Szene. Kennt ihr z. B. noch den Querverlag? Ein traditionsreicher, schwul-lesbischer Verlag. Manchmal gibt er Anthologien heraus, die sich an der sogenannten Queer-Ideologie abarbeiten. Die Queer-Ideologie, der auch ich anzugehören scheine und die mir in der Inkarnation des Missy Magazines ihre Plattform wie eine Picknickdecke ausbreitet. Und alle Jubeljahre graben sich Prostitutionsgegner*innen aus ihrem Loch, die von der anti-queeren Reihe des Verlags Rückenwind verspüren.

©Tine Fetz

Zuletzt hielt eine Autorin des Querverlags, die ihre Agenda stolz mit „Anti Transgender-Ideologie, Kulturrelativismus und Sexindustrie“ benennt, einen Vortrag gegen Prostitution im Leipziger Hausprojekt Meuterei. Solche Selbstbezeichnungen sind ein interessantes Signal: Die Stärke, Sichtbarkeit und Queerness der Hurenbewegung zwingt jene, die uns verbieten und vernichten wollen, sich zu positionieren. Und wenn ihre politische Agenda klar ist, müssen wir unsere Zeit nicht mehr damit verschwenden, sie zu enttarnen. Bekämpfen brauchen wir sie kaum, denn es sind ja doch immer die gleichen ein, zwei Elendsgestalten, die ohne Expertise, dafür über Jahre hinweg mit unverändertem Input von Uni zu Uni reisen.

Unsere Positionen hingegen sind in den letzten Jahren stärker geworden, Sexarbeiter*innen haben sich den Platz in linken und feministischen Gruppen erkämpft und nehmen ihn nicht nur am 08. März selbstbewusst ein. Im Schwulen Museum eröffnet pünktlich zum Internationalen Frauenkampftag am 07. März eine Ausstellung, die von einem Sexarbeiter*innenkollektiv kuratiert wurde. „Objects of Desire“ ist ein Konzept, das aus Großbritannien kommt und den Alltag und die Kämpfe von uns Sexarbeiter*innen sichtbar machen und unsere Geschichten erzählen soll. Das Berliner Kurationskollektiv befragte zahlreiche Kolleg*innen zu ihrer Tätigkeit, ihren Erfahrungen und Gedanken, die in der Ausstellung anhand von Objekten aus dem Hurenleben erzählt werden. Auch ich habe einen Gegenstand hergegeben – eine Perücke, in der ich so manchen Schein verdient und aus der ich so manches Mal schon fremdes Sperma herausgebürstet habe. 

Unsere Arbeit befindet sich in einer solchen Nische der Gesellschaft, dass die Arbeitskämpfe nicht nur mit dem Staat (gegen das Prostituiertenschutzgesetz, für die wirkliche Entkriminalisierung von Sexarbeit) und den Arbeitgeber*innen geführt werden, sondern wir bei uns selbst anfangen müssen. Der Kampf gegen das Stigma geht an vielen Stellen unserer Selbstorganisation voraus. Eine Ausstellung von uns über uns ist also nicht nur zur Belehrung der Museumsbesucher*innen da, sondern Teil eines globalen Bestrebens, in dem Sexarbeiter*innen sich empowern, vernetzen und gegen Patriarchat und Kapitalismus kämpfen. 

Vom Schwulen Museum gab es kürzlich noch in anderer Sache Neuigkeiten. Der Verein Gladt e.V. hatte das Schwule Museum darauf hingewiesen, dass ein Teil der Dauerausstellung, die „Wall of Shame“, zwar gut gemeint, aber leider nicht ganz so gut durchgeführt wurde. Die Wand soll Gewalt gegen Queers in verschiedenen Ländern sichtbar machen, reproduziert laut Gladt jedoch koloniale Blicke auf Homosexualität und lässt Betroffene nicht zu Wort kommen. Birgit Bosold, Vorstandsmitglied des Museums und Archiv- und Sammlungsleiter Peter Rehberg nahmen laut Siegessäule die Kritik des Vereins gerne entgegen und wollen in Zukunft mit Gladt e.V. zusammenarbeiten. Das möchte ich erwähnen, auch wenn es nur indirekt mit Sexarbeit zu tun hat. Die Verständigung zwischen Gladt und dem Schwulen Museum zeigt, dass zuhören, lernen und wachsen möglich ist und zu kraftvollen Allianzen gegen den Backlash werden kann. 

So bissig wie diese Kolumne begonnen hat, so friedfertig endet sie: Ob ihr im Puff liegt oder an der Straße steht, ob ihr die Peitsche schwingt oder auf dem Rücksitz blast, ob ihr Pornos macht oder eurem Sugardaddy Selfies schickt, ob ihr im Club tanzt oder auf Kaufmich inseriert. Ich wünsche uns allen ein kämpferisches Wochendende zum 08. März – Frauen und andere trans Leute, Queers und Sexarbeiter*innen Seite an Seite.