Von Imke Staats

Die niederländische Psychedelic-Folk-Rockband Altin Gün, die älter und türkischer klingt, als sie ist, hat was Neues fertig. Beziehungsweise: Neu ist die Interpretation der alten Stücke des 2012 verstorbenen anatolischen Komponisten Neşet Ertaş, der so etwas wie ein türkischer Nationalmusiker war und dessen Kunst längst in die Matrix seines Volkes übergegangen ist.

©Sanja Marusic

In neun der zehn Werke auf „Gece“ mixt das Sextett auf Basis dieser Lieder Inspirationen aus verschiedenen Ecken der Türkei mit Rock- und Popklängen der Spätsechziger und Frühsiebziger zu einer neuen Folkmusik zusammen. Hier einen sich Saz und Synthezizer, Sprechgesang und spaciger Disco-Glitzer zu einer ganz neuen und doch (für die Älteren unter uns) vertrauten Mixtur. Die große Leidenschaft des Bandleaders und Bassisten Jasper Verhulst für alte Platten der Ära seiner Eltern und seine in vieler Hinsicht grenzeinreißende Energie machen Altin Gün zu einer Botschafterkapelle, die globales Miteinander selbstverständlich, hochinspiriert, leidenschaftlich und bedingungslos lebt. „Gece“ bedeutet „Nacht“, in schöner Dialektik zum Namen der Gruppe: „Goldener Tag“. Vor knapp drei Jahren verwirklichte Verhulst seine Vision dieser Kunstmusik, indem er davon ebenso überzeugte Musiker*innen castete. So kam auch die Sängerin Merve Dasdemir dazu, welche mit ihrer relativ dunklen Stimme eine fast hypnotische Kraft ausübt. Besonders in „Soför Bey“, dem einzigen originären Stück, entfaltet sie sich in theatralischem Sprechgesang.

Altin Gün „Gece“
(Glitterbeat/VÖ: 28.04.2019)