Von Stefanie Lohaus
Illustration: Bini Adamczak

Als im November 2018 das hundertjährige Jubiläum der Einführung des Frauenwahlrechts gefeiert wurde, rückte ein Thema ins Zentrum der Aufmerksamkeit, das lange Zeit nur wenig Beachtung gefunden hatte: die Dominanz von Männern in den deutschen Parlamenten, Stadträten und Gemeindevertretungen. Also eigentlich überall dort, wo Politik gemacht wird, im Großen wie im Kleinen. Aktuell liegt die Männerquote im Bundestag bei 69 Prozent, in den Landtagen changiert sie derzeit zwischen 59 Prozent (Thüringen) und 76 Prozent (Sachsen-Anhalt). In den deutschen Städten und Gemeinden liegt sie im Schnitt bei 76 Prozent. Und neunzig Prozent aller Bürgermeister*innen sind … ja, was wohl? Männlich!

Und trotzdem: Bis vor Kurzem dachten die meisten, das Problem der Überrepräsentanz von Männern würde sich irgendwann einmal von selbst erledigen. Schließlich quotieren die meisten Parteien – mal mehr, mal weniger effizient – schon seit einigen Jahrzehnten ihre Wahllisten, um das männliche Dominanzverhalten einzuhegen. Das ließ den Frauenanteil in den Parlamenten langsam, aber sicher in die Höhe klettern, wenn auch nie

nur annähernd auf fünfzig Prozent. Mit Angela Merkel hat Deutschland seit einigen Jahren eine Bundeskanzlerin und mit Andrea Nahles die SPD doch tatsächlich ihre erste weibliche Parteivorsitzende. Und wie begründete der kanadische Premierminister Justin Trudeau doch sein paritätisch besetztes Kabinett? „Because it’s 2015!“ Also alles nur noch eine Frage der Zeit. Doch dann erstarkte in den letzten Jahren eine Partei, die zu 83 Prozent aus Männern besteht und zu circa neunzig Prozent männliche Abgeordnete in die Parlamente entsendet: die antifeministische AfD. Überall dort, wo die AfD in die Parlamente einzieht, sinkt der Frauenanteil. Der Ruf nach Paritätsgesetzen für Bund und Länder wurde laut: Diese verpflichten alle Parteien, ihre Wahllisten zur Hälfte mit Frauen zu besetzen. „Parität erscheint mir logisch“, ließ sogar die nicht als besonders feministisch bekannte Bundeskanzlerin Angela Merkel Ende Januar 2019 im Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ verlautbaren.

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