Viel seufzen
Von
Von Jacinta Nandi
Ich sitze mit zwei Freundinnen zusammen – eine deutsche Feministin und eine britische Zwangsfeministin. „Ich habe mir dieses feministische Leben nicht freiwillig ausgesucht“, hat meine britische Freundin mal gesagt. „Berlin – und Berlins Männer – haben mich dazu gezwungen, Feministin zu werden.“
Wir reden über meinen Partner, der denkt, dass ich zu chaotisch bin, und nicht vorhat, im Haushalt mitzuhelfen. Ich verstehe es einfach nicht.
„Ich verstehe es einfach nicht“, sage ich. „Wenn ich zu Hause bin, mit dem Kind, versuche ich, die Wohnung sauber zu halten. Ich mache es nicht gut, aber ich versuche es. Er findet, es ist nicht sauber genug. Ich soll mir mehr Mühe geben. Aber wenn er selbst alleine mit dem Kind zu Hause ist, versucht er es nicht mal. Er passt nur auf das Kind auf. Lässt alles liegen. Es ist genauso anstrengend für mich, auf das Kind aufzupassen, wie es für ihn ist. Oder? Aber er ist trotzdem sauer auf mich, dass ich schlecht im Putzen bin? Macht das irgendeinen Sinn? Versteht ihr das?“
„Nee“, sagt meine deutsche Freundin.
„Er denkt, ich soll nebenbei putzen. Aber wie denn, wann denn.“ Ich seufze. Die Wahrheit ist, ich versuche das. Stehe jeden Tag auf und mache die Waschmaschine sofort an. Höre Clutterbug-Podcasts oder Dokus über die Tudors an, während ich putze. Versuche nicht nur zu putzen, sondern auch Ordnung zu schaffen. Aber es ist schwer mit einem Kleinkind. Manchmal bist du gerade dabei, die Bücher wieder in ein Bücherregal einzusortieren – und guckst kurz von den Büchern weg, die du sortierst, nach oben, und da siehst du – das Kind sortiert genau so eifrig wie du die Bücher aus dem nächsten Bücherregal wieder nach draußen. Auf den Boden. Du guckst das Kind an und seufzt enttäuscht. Das Kind hält mit dir Augenkontakt und lächelt stolz. Es denkt, dass es mithilft, merkst du plötzlich. Kleinkinder helfen gerne mit im Haushalt. Das ist die gute Nachricht. Ihre Hilfe ist nicht sehr hilfreich. Das ist die schlechte.
„Hat er das gesagt?“, fragt meine Freundin. „Hat er das direkt gesagt?“
„Na ja. Er hat gesagt, er fühle sich unwohl in der Wohnung, weil es hier versifft ist. Das Sofa ist versifft, der Balkon auch. Ich soll weniger kochen und mehr putzen. Aber warum macht er selbst nicht ab und zu sauber?“
„Weil er denkt, dass du es machen solltest. Dafür bist du da, denkt er.“ Meine deutsche Freundin stöhnt genervt.
„Er sagt, er ist ein Professor und würde deswegen nicht staubsaugen. ‚Ich bin ein Professor, ich sage dir eins, ich werde nicht staubsaugen.‘ Ich weiß nicht, was er denkt, womöglich, dass, wenn du mit einem Professor zusammen bist, bist du deswegen so stolz, dass du im Schlaf staubsaugen kannst? Ist es genauso schwer für mich zu staubsaugen wie für ihn? Ich versuche, das alles hinzukriegen, aber ich bin fast immer alleine mit dem Baby und ich habe oft andere Sachen zu tun, die wichtiger sind. Warum versteht er das nicht? Warum tut er so, als ob ich Putzmittel aus dem Arsch kacken würde und müsste nur ohne Höschen rumlaufen und alles mit meinem eigenen Durchfall zuspritzen – und dann wäre die Wohnung von alleine sauber? Warum denkt er, für mich sei es so leicht zu putzen, aber für ihn so schwierig?“
„Er denkt nicht, dass es schwierig ist“, sagt meine deutsche Freundin. „Er denkt, er ist zu gut zum Putzen. Ey, Jacinta, ich bin gerade so deprimiert. Du bist Missy-Feministin! Wenn du es nicht hinkriegst, dass ein Mann 50 Prozent im Haushalt macht, dann sind wir alle am Arsch.“
„Wenn du ihn glücklich machen willst, erwartest du nicht mehr, dass er mithilft“, sagt meine britische Freundin jetzt. „Stehe früher auf. Putze, nachdem er im Bett ist. Wann stehst du auf?“
„Um sieben“, sage ich. „Dann steh um sechs auf. Putze jeden Vormittag zwei Stunden und jeden Abend zwei Stunden. Hör auf, ihn wegen ideologischer Ideen von Gleichheit und so zum Putzen zu zwingen.“
„Es sind keine ideologischen Gründe“, sage ich. „Sondern die Zeit reicht einfach nicht dafür, dass eine Person alles macht und es sauber wird.“
„Euer Streit geht nicht ums Putzen“, sagt die Britin. „Das ist symbolisch. Das ist eine Metapher.“
Ich weiß nicht. Wenn eine Person früher aufstehen muss, um zu putzen, während der andere schlafen kann, fühlt es sich ehrlich gesagt nicht sehr metaphorisch an. Es fühlt sich tatsächlich einfach sehr erschöpfend an.
„Er hat ganz klar gesagt, er ist nicht bereit, Hausarbeit zu machen“, sagt sie. „Hör auf ihn – sonst verlierst du ihn!“
Ich seufze. Die Wahrheit ist, ich, Jacinta Nandi, die Missy-Feministin, habe schon längst aufgegeben zu hoffen, mein Partner würde 50 Prozent mitmachen. 40 Prozent wären schön, sogar 30 Prozent wären besser als jetzt. Ich habe das aufgegeben. Ich will nur, dass er nicht sauer ist auf mich, dass ich nicht gut genug mache, was er gar nicht macht. Ist das zu viel verlangt? Offensichtlich ja.
„Ich erwarte schon jetzt kaum etwas“, sage ich. „Manchmal geht er einkaufen und sogar dann packe ich die Sachen weg und bedanke mich so, als ob er mir goldenen Schmuck aus dem Urlaub mitgebracht hätte.“
Wahrscheinlich, denke ich, ist es leichter, alleinerziehend zu sein, als meinen Mann zu überreden, dass er im Haushalt mithilft. Wenn ich diese Tatsache akzeptiert habe, kann mein Leben wieder weitergehen.