Bisher hat sich die 19-jährige Valerie alleine um ihre Mutter gekümmert, die im Sterben liegt, als ganz unvermittelt ihr entfremdeter Halbbruder Robert in Berlin auftaucht, um ihr zu helfen. Je schlechter es der Mutter geht, desto mehr kapseln sich die Geschwister von der Außenwelt ab. Robert legt seine Ausbildung in Marburg auf Eis, Valerie geht nicht mehr zur Schule. Es gibt nur noch sie beide. In dieser Ausnahmesituation kommen sie sich immer näher – zu nahe.

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Abwechselnd aus den Perspektiven Valeries und Roberts erzählt, schildert Julia Rothenburg in ihrem zweiten Roman die Nuancen einer Beziehung, die in der größtmöglichen Grenzüberschreitung mündet. Durch ihre unaufgeregte wie einfühlsame Erzählhaltung macht sie das Verhältnis der Geschwister für die Leser*innen erschreckend nachvollziehbar. Doch trotz der düsteren Thematik ist „hell/dunkel“ kein schweres Buch, sondern beinhaltet an vielen Stellen eine leise Komik. Diese offenbart sich vor allem in den eigentlich deprimierendsten Situationen, so z. B., als Robert und Valerie einen Grabstein für die Mutter „shoppen“ gehen. „hell/dunkel“ ist ein sehr zarter wie intensiver Roman, der den Tod und die Verarbeitung von Trauer und Schuld aus einer ganz ungewöhnlichen und genauso überzeugenden Perspektive angeht.

Julia Rothenburg „hell/dunkel“ Frankfurter Verlagsanstalt, 280 S., 20 Euro