Von Ella Carina Werner

Es ist Spätnachmittag, es ist schon dunkel, wir sitzen zu elft in Marias Küche: Maria, fünf mir kaum bekannte Frauen, ich und fünf leere Flaschen Prosecco. Selbst Maria kenne ich nur flüchtig. Sie wohnt am Ende meiner Straße und hat eingeladen, um ein paar „spannende“ Frauen in ihrer „Wohnküche“ bei Kaffee und Kuchen „zusammenzubringen“. Warum nicht. Die Eierlikörtorte ist jedenfalls ein Gedicht. Rund um den schweren Eichentisch sitzen irgendeine Nina, die wortkarge Mutter von Finn-Oscar, deren Namen ich vergessen habe, Annalena aus dem Eckhaus, zwei Claudias und ich. Wir plaudern über unsere Kinder, die Zukunft der SPD und Weiblichkeit im 21. Jahrhundert.

©Barbara Lüdde

Maria betrachtet versonnen ihr halbvolles Sektglas. Dann hebt sie es und ruft: Herrlich, wie

nett wir hier alle zusammensäßen. Und was wir eigentlich Silvester machten? Nur noch ein paar Tage. Ein Jahrzehnt gehe gerade zu Ende. So fröhlich käme man nie wieder zusammen. Nie mehr. „Och, wieso denn nie mehr“, erkundigen sich die beiden Claudias nahezu im Chor. Na, ob uns die gesellschaftlichen Entwicklungen nicht auch Sorgen bereiteten, seufzt Maria, scheint’s, schon etwas schaumweinselig: insbesondere die im letzten Jahr. Als kluge, weitsichtige Frauen, die wir hier versammelt seien, müssten wir das spüren. Es werde alles immer schlimmer. Maria reckt die Arme. „Alles. Immer. Schlimmer.“ Die Gute scheint betrunken. Die Mutter von Finn-Oscar scheint auch betrunken, nickt.„Schlimmer“, echot Annalena. „Die Klimakrise“, ächzt Maria. „Die emotionale Entwurzelung. Die Angst. Der sich aufblähende Kontrollstaat. Die großen kalifornischen Tech-Riesen, die längst alles über uns wissen. Gruselig!“

„Gruselig“, widerhallt Annalena.
„Verstörend“, versichern beide Claudias leicht versetzt.…