Interview: Merle Groneweg
Illustration: Larissa Hoff

Während in Brasilien und den USA offen antifeministische, querfeindliche Präsidenten regieren, erklärten sich in Polen jüngst zahlreiche Städte und Landkreise zu „LGBT-freien Zonen“. Auch dürfen an ungarischen Universitäten seit 2018 keine Gender Studies mehr gelehrt werden. In Frankreich demonstrierten vor einigen Jahren Hunderttausende Menschen gegen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. In Deutschland protestierten damals „Besorgte Eltern“ gegen geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in der Schulbildung. Wenig später erklärte die katholische Bischofssynode, dass von der „Gender-Ideologie“ eine „kulturelle Herausforderung“ ausgehe: Ehe und Familie stünden als sakrale Formen des Zusammenlebens auf dem Spiel.

Missy Magazine 03/20, Real Talk
© Larissa Hoff

Wer genau sind die Akteur*innen, die du im antiqueeren Spektrum verortest? Einerseits vernetzen sich fundamentalistische Christ*innen, sowohl Katholik*innen als auch Evangelikale. Dann wird aktuell die Neue Rechte immer sichtbarer, die sich „echte Männlichkeit“ und „echte Weiblichkeit“ auf die Fahnen schreibt und dafür ausspricht,

möglichst viele weiße Deutsche zu zeugen, und zwar in klassischen bürgerlichen Kleinfamilien. Zudem sind da die bürgerlichen Sprecher*innen des Feuilletons, die sich bspw. über Gender Studies furchtbar erregen können. Daneben gibt es einige Wissenschaftler*innen, insbesondere im Feld der Evolutionsbiologie, die sich antiqueer äußern. Und wir haben eine bürgerliche Politik, die, wenn wir uns z. B. Fördermittel anschauen, queere Bedarfe und Lebensrealitäten immer wieder verneint und etwa durch das Ehegattensplitting ein bestimmtes Familienbild privilegiert.

Die Beispiele scheinen endlos – erleben wir eine neue Welle von antifeministischer und antiqueerer Mobilisierung?
Die politischen Debatten und konkreten Mobilisierungen auf der Straße haben in den letzten Jahren zugenommen. Aber der Diskurs um „Gender“ hat sich schon viel früher entzündet. Nach langjährigen feministischen Kämpfen haben die Vereinten Nationen in den 1990er- Jahren „Gender-Mains…