In gegenwärtigen Debatten wird das Wort „Postmoderne“ fast nur als Klischee benutzt. Als „die Postmodernen“ oder kurz „Pomos“ gelten dann irgendwelche verrückten Linken und/oder Philosoph*innen, die bezweifeln, dass es so etwas wie Wahrheit, Wirklichkeit, Freiheit oder Vernunft überhaupt gibt. Das Motto der Postmodernen sei ein relativistisches „Anything goes!“ – alle könnten denken, sagen und tun, was sie wollten. Diese Klischees wurden in den 1980er- Jahren in philosophischen Fachdiskursen geprägt und haben in der Öffentlichkeit bis heute überlebt.
Diese Beschreibung „der Postmodernen“ war schon immer Unsinn. Es gibt schlichtweg keine philosophische Strömung, die damit auch nur in allergröbster polemischer Annäherung beschrieben wäre. Aber schlimmer noch: Der Unsinn ist nicht einfach nur Unsinn, sondern auch Ideologie, die zwei Funktionen erfüllt: Erstens erlaubt sie es den selbsterklärten Kämpfer*innen gegen „postmoderne Beliebigkeit“, sich als standhafte Verteidiger*innen von Aufklärung und Zivilisation in einem Sturm postmoderner Barbarei zu imaginieren. Zweitens erlaubt sie es, die Argumente der als „postmodern“ gebrandmarkten Kritiker*innen zu ignorieren. Deren Kritik verweist nämlich darauf, dass die sich als vernünftig, universell, fortschrittlich und humanistisch verstehende westliche Moderne auch mit Heterosexismus, (Kolonial-)Rassismus und Klassenherrschaft einhergeht. Dass also der vermeintliche Universalismus partikular-männlich-weiß- koloniabürgerlich verzerrt ist. Wohlgemerkt bezeichnet sich kaum jemand von denen, die diese Kritik formulieren, als „postmodern“.

Zugegeben: In manchen Blasen der radikalen Linken und der Kulturszene gibt es in der Tat die Tendenz, die notwendige Kritik an Herrschaft, Vernunft und Aufklärung so plump relativistisch zu formulieren, als gebe man sich Mühe, dem antipostmodernen Klischeebild so gut wie möglich zu entsprechen. Aus Judith Butlers Kritik der Geschlechterordnung als Zwangssystem, das laufend performativ reproduziert werden muss, wird dann die Idee, dass Geschlecht ein lustiges Spiel sei oder man dem Zwangssystem durch lustige Spiele entkommen könnte. Aus Jacques Derridas Dekonstruktion von Humanismus und Aufklärung wird deren einfache Ablehnung als irgendwie böse – und so weiter und so fort. Derartig plumpe Formen von Kritik sind aber nichts spezifisch „Postmodernes“, sondern auch in anderen Strömungen zu finden – nicht zuletzt bei denen, die sich offensiv antipostmodern geben.

Zwar wird der Begriff „Postmoderne“ fast ausschließlich als ideologisches Klischeebild verwendet, er könnte aber in sinnvoller Weise bestimmt werden. Z. B. als eine Form der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung, die sich von der Moderne und ihrem fortschrittsgläubigen Selbstverständnis abgrenzt. In der postmodernen Selbstbeschreibung wird darauf verwiesen, dass der Glaube an Fortschritt und Rationalisierung in der Praxis mit Vereinheitlichung und Unterdrückung einhergeht. Die postmoderne Selbstbeschreibung grenzt sich von dieser Standardisierung ab und kritisiert sie als menschenfeindlich. An ihre Stelle sollen menschlichere Formen treten. So könnte man den Begriff „Postmoderne“ durchaus in sinnvoller Weise verwenden. Aber egal, wie man den Begriff selbst definiert, am Ende bewegt man sich in den dominanten ideologischen Diskursen. Deshalb ist es in exakt 99,35 Prozent der Fälle besser, auf das Wort „Postmoderne“ ganz zu verzichten.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 03/20.