Von Dalia Ahmed

FARCE ist die Wien-based, Sängerin und Produzentin aus dem Schwarzwald, die vor zwei Jahren mit ihrem Debütalbum „Heavy Listening“ eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Pop und was er alles sein kann in das Bewusstsein vieler Fans „alternativerer“ Musikströmumgen gebracht hat. 
Aber eigentlich geht es mit dem Pop erst jetzt so richtig los in FARCE‘ Musik. Ihre 4-Track-EP „Trauma Bounce“ verbindet tiefe Trauer und die Reflexion der eigenen Issues mit freudigen Beats. Der Soundtrack zum Am-Dancefloor-Weinen und zugleich ein Projekt, das so gut wie alles abdeckt, was es bedeutet, jung, queer, pissed off zu sein sowie in einem Heilungsprozess in der Auseinandersetzung mit sich selbst zu stehen.
Im Video zu „(If You See Me Around) Don’t Come“ begleiten wir FARCE beim nächtlichen Herumirren, auf der Suche oder vielleicht auch auf der Flucht: ein audiovisueller Experimental-Albtraum, der fast zu schön zum Aufwachen ist.

@Gabriela Kielhorn

Wo hat „Trauma Bounce“ begonnen?
FARCE: Die vier Songs habe ich vor einem Jahr als Auftragsarbeit für das Hyperreality Festival in Wien in eine kohärente Form gebracht. Mit dem Druck, sie aufführbar zu machen, und der Energie, die ich anschließend durch die Performance gespürt habe, sind sie dann noch ein Dreivierteljahr zu mir ins Heimstudio mitgekommen und ich habe weiter an ihnen gearbeitet, bis ich dann im Januar diesen Jahres die Vocals neu aufgenommen und mit meinem Co-Produzenten Nikolaus Abit alles finalisiert habe.

Was war für dich der Plan für die EP?
Der Plan war, eine Bestandsaufnahme zu veröffentlichen. Kein Album machen zu müssen und trotzdem eine Art Update releasen zu können, zu dem, was ich gerade mache und wie es mir geht.

Der Titel „Trauma Bounce“, die Dualität von Sad & Happy – sind das für dich entgegengesetzte Pole oder therapiert der Bounce das Trauma?
Jeder Song behandelt verschiedene persönliche und gesellschaftliche Traumata und versucht, einen Rhythmus der Aufarbeitung zu kultivieren. In der Traumaverarbeitung musst du jeden Tag einen Schritt gehen und es ist auch egal, wie klein der Schritt ist, wenn du dir deiner Wunden bewusst wirst, geht jeden Tag etwas voran. Das ist der Trauma Bounce.

,,Trauma Bounce“ ist offener und weniger heavy als dein Debütalbum „Heavy Listening“. War das eine bewusste Entscheidung oder hat sich für dich einfach verändert, wie du mit Schmerz in deiner Musik umgehst?
Ich hatte einfach Lust, spaßige Musik zu machen. Gerade etwas, das auch clubbiger und tanzbarer ist. Weil ich bei meinen Shows gemerkt habe, dass da – gerade durch die Beats – ein körperlicherer Zugang entsteht, für mich und für das Publikum. Ich wollte, ganz egoistisch, mehr Spaß am Livespielen haben. Bei einigen Songs von „Heavy Listening“ war ja das Anhören schon qualvoll, das Performen ebenso.

Deine Stimme kommt auf „Trauma Bounce“ ganz anders als auf dem Debütalbum zum Einsatz, wie schon die Beats, scheint sie uns als Zuhörenden mehr entgegenzukommen.
Ich war von Anfang an sehr kritisch meinen Vocals gegenüber, weil ich mich nie unbedingt als Sängerin gesehen habe. In meinen Bandprojekten davor habe ich auch nie gesungen. Nun habe ich mich ein bisschen fordern wollen, was die Rhythmen, Stimmsätze und Wendungen angeht, um die Stimme auch zu einem zugänglicheren, poppigeren Element zu machen. Davor habe ich die Stimme als Instrument, das Teil einer Sounddecke ist, behandelt und jetzt war mir in jedem Song der EP auch wichtig, dass die Stimme ein Storytelling betreibt und die Hörenden durch den Song begleitet.

@Gabriela Kielhorn

Wie ist „(If You See Me Around) Don’t Come“ entstanden? Geht es da um eine konkrete Person, auf die du einfach keinen Bock mehr hast?
Der Song handelt von diversen intersozialen Beziehungen, bei denen mich folgendes Bauchgefühl regiert: Wenn du mich irgendwo siehst, komm nicht her, lass einfach gut sein. Es ist keine gute Emotion und auch eine gewisse Paranoia. Ich fürchte mich schon Wochen vor einem Event oder einem Spaziergang zum Supermarkt, gewisse Personen in der Öffentlichkeit zu sehen – so will ich nicht leben. Es geht darum, dass ich versuche, mit solchen Dingen abzuschließen und mich weiterzuentwickeln. Es ist ugly, aber es ist auch ok.

Wie ist das Video zu „(If You See Me Around) Don’t Come“ entstanden?
Das Video entstand in der Zusammenarbeit mit meiner Partnerin Gabriela Kielhorn, mit der ich in den letzten zwei Jahren in verschiedenen Videoprojekten eine gemeinsame Bildsprache entwickelt habe. Mein Musikvideo ,,Die Angst“ ist in Koproduktion mit ihr entstanden, meine neuerliche Livesession für FM4 hat sie gefilmt, das Video zu „Déjà-Vu“ ebenfalls. Das ist eine audiovisuelle Zusammenarbeit, die ganz intim und speziell ist. Ich habe mich noch nie so wohl vor der Kamera gefühlt, wie wenn sie mich filmt. Es ist eine ganz lockere und emotionale Auseinandersetzung miteinander, mit der Musik. Sie versteht meine Musik so gut, wie sonst nur ich es tue, viele der Songs hängen auch inhaltlich und emotional mit ihr zusammen. Es ist also ein konzeptionelles künstlerisches Gesamtwerk, das aus unserem Haushalt kommt, das macht mich sehr glücklich. Gabriela kommt aus den Filmwissenschaften und kennt so viele filmhistorische Quellen, Inspirationen. „(If You See Me Around) Don’t Come“ ist vom frühen Experimentalklassiker „Meshes of the Afternoon“ von Maya Deren und Alexander Hammid inspiriert, der vom Horror im eigenen Haus, der eigenen Psyche handelt. Das Musikvideo ist ein unheimlicher, surrealistischer Streifzug durch unsere heimischen Straßen, den fünften Wiener Gemeindebezirk. Also besser nicht näherkommen. (lacht)