Zehen zeigen

Futuristischer Trend oder alte Romantik? Der Barfußschuh zwischen Natursehnsucht und Alientransformation.

Von Leyla Yenirce

Missy Magazine 06/21, Mode
© Khim Hoe Ng / Stockimo / Alamy Stock Photo

Als ich ihn das erste Mal an einer Person sah, kam es zu verschiedenen Assoziationen bei mir: eine synthetische Fläche, die sich organisch an den Körper schmiegt; eine zweite Haut, die das Fußbett verstärkt; ein amorphes Stück Stoff, das zum Teil des Körpers wird. Ich habe ihn mir direkt nachgekauft: den Vibram FiveFingers Barfußschuh. Mit einem Preis von ca. hundert Euro etwas happig für ein Stück Synthetik, das man faustdick

zusammenrollen kann, aber das war es mir wert. Das Laufen mit einem Barfuß- schuh, der als Wanderschuh vermarktet wird, ist einfach etwas anders. Durch die dünne Sohle tippelt man eher auf dem Vorderfuß, schwebt durch die Gegend. Ich fühle mich tänzerisch, grazil, es macht mir Spaß, mich so zu bewegen. Wer sich mit Mode beschäftigt, kennt ein Modell, das ebenfalls die Zehenform imitiert, etwas dezenter, aber nicht weniger aussagekräftig: den Margiela Tabi Boot, den das belgische Modehaus Maison Margiela in den 1990er- Jahren auf den Markt brachte, nachdem Martin Margiela sich in Japan inspirieren ließ. Der Stiefel mit kleinem Absatz und einem Schlitz zwischen zwei Zehen ist eine Anlehnung an einen traditionellen japanischen Arbeitsschuh. Die Umwandlung alltäglicher Kleidungs- und Gebrauchsgegenstände in Luxusartikel war ein gängiges Motiv in der Karriere des radi- kalen Modemachers Margiela, der Krankenhausarmbänder in Schmuck verwandelte oder eben Arbeiter*innenschuhe zu schicken Stiefeln transformierte. Ein Hinweis…

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