Nächstes Jahr in …
Für die Anthologie „Nächstes Jahr in…“ haben elf Zeichner*innen auf unterschiedlichste Weise jüdisches Leben in Comicform illustriert. Nach jedem Comic folgen zwei thematisch vertiefende Doppelseiten mit Erläuterungen, lokalem Bezug und historischen Details. Moni Ports sorgsam collagierte Illustration von Miriam Werners niedergeschriebener Familiengeschichte geht besonders nah, da sie mit wenig Text Fragen zu ihrer jüdischen Identität hier und heute behandelt. Ein visuelles Highlight ist Barbara Yelins malerische Interpretation von Mascha Kalékos Gedicht „Kein Kinderlied“, das in dunklen Farbtönen das Gefühl der Heimat- und Hoffnunglosigkeit vermittelt. Die detaillierten digitalen Zeichnungen Hanna Brinkmanns erzählen von der 1947 gegründeten jüdischen Berufsfachschule in Darmstadt, in einem Gebäude, das bis Kriegsende von Nazis genutzt wurde. Spannend wären noch mehr jüdische Stimmen der Gegenwart, wie die Miriam Werners. Vor allem auch aus zeichnerischer Perspektive. Amelie Persson

Meike Heinigk, Antje Herden, Jonas Engelmann, Jakob Hofmann (Hg.) „Nächstes Jahr in … Comics und Episoden des jüdischen Lebens“ ( Ventil, 168 S., 25 Euro )

 

 

 

 

 

 

 

Radium Girls
Wenn die Radium Girls aus New Jersey ausgehen, leuchten sie. Weil sie selbstbewusste junge Frauen sind, die mit ihrem hart verdienten Geld die Partys der 1920er-Jahre aufmischen. Aber auch, weil sie in einer Uhrenfabrik arbeiten, in der sie täglich ihre Lippen mit Radium benetzen: Um die strahlende Farbe auf die Zifferblätter aufzutragen, führen sie den Pinsel vor jedem Farbstrich an ihre Lippen, um ihn zu befeuchten. So nehmen sie täglich große Mengen des Stoffes auf, von dessen tödlicher Giftigkeit sie erst Jahre später erfahren. Da ist es bereits zu spät. Die junge französische Comiczeichnerin Cy. würdigt den vergessenen Kampf dieser Frauen für Arbeitsrechte sowie für bessere Strahlenforschung, der den nachfolgenden Generationen zugutekam, und erzählt von widerständiger Freundinnensolidarität. Mit flächigen Farbstiftzeichnungen, die mit ihrer reduzierten Farbpalette zwischen sattem Lila und Radiumgrün fast magisch wirken, fängt sie die Ambivalenz zwischen der Faszination für den damals als Wundermittel gepriesenen Stoff und seiner tödlichen Wirkung ein. Sonja Eismann

Cy. „Radium Girls. Ihr Kampf um Gerechtigkeit“ (Aus dem Französischen von Christiane Bartelsen. Carlsen, 136 S., 20 Euro )

Diese Texte erschienen zuerst in Missy 01/22.