Missy Magazine 05/22, Podcast

Oh Baby! … für besseren Sex
Den eigenen Sex verbessern und die Person(en) gegenüber mit neuen sinnlichen Ideen verwöhnen – wer möchte das nicht? Genau das ist das Ziel von Leo und Josi. Sie begeben sich in „Oh Baby!“ wöchentlich auf die Suche danach. Ob das Sexleben als alleinerziehende Mutter, Selbstbefriedigung oder besondere sexuelle Vorlieben: Tabus gibt es für die beiden nicht. Das danken ihnen auch ihre Hörer*innen, die sich alle zwei Wochen mit Fragen oder Erfahrungen in den sogenannten Quickie- Folgen an die beiden Podcasterinnen wenden können. Ein bisschen wie Dr. Sommer, nur aufgeklärter und emanzipatorischer. Dabei nehmen die beiden kein Blatt vor den Mund und geben regelmäßig Einblicke in ihr ganz eigenes Privatleben – sehr nahbar eben. Josi und Leo sind auch keinesfalls immer einer Meinung. Oft haben beide ihre ganz eigenen, individuellen und sehr unterschiedlichen Erfahrungen oder Präferenzen. Diese werden durch die Sichtweise verschiedener Gäst*innen wie Pornoregisseurin Paulita Pappel oder Pornodarsteller Jason Steel ergänzt. Trotz der Offenheit der beiden bleibt es primär bei einer binären, weiblichen Sichtweise auf das Thema Sex, da die zwei für sich sprechen. Und dennoch: ein sehr hörenswerter Podcast zum Erweitern des eigenen Horizonts, auch oder gerade für jüngere Menschen. Anna-Marie Eisenbeis

„Oh Baby!“ Leo & Josi, 20–60 Min., auf allen gängigen Plattformen

 

Missy Magazine 05/22, Podcast
X3 – Der Russlanddeutsche+ und Postost Podcast

Mit X3 [xɛˈzɛ], der russischen Abkürzung für „wer weiß“, begrüßen Julia Boxler, Ani Menua und Helena Melikov zu ihrem Podcast. Die drei Hosts stammen aus unterschiedlichen Ländern der ehemaligen Sowjetunion. In „X3“ analysieren sie, warum Vitamin M (= migrantische Arbeitsmoral) in Deutschland nie so ganz an Vitamin B herankommt, diskutieren, ob „Namenskastration“ ein Privileg ist, und ergründen den Mythos der „russischen Seele“. Wenn die weltpolitischen Krisen hochkochen, teilen sie Sprachnachrichten ihrer ukrainischen Freund*innen oder nutzen jede Lücke in der kasachischen Internetblockade, um eine Sonderfolge aufzunehmen. In der neuen Staffel analysieren sie, wie Traumata weitergegeben werden. Dabei stehen weibliche Post-Ost-Perspektiven im Mittelpunkt. Wie schreibt sich Migration ein – und was trägt die deutsche Gesellschaft dazu bei? Wie hängt die körperliche Angst vor der Klingel mit stalinistischen Repressionen zusammen, unter denen die Großmutter litt? Und wie bewertet Ani drei Generationen nach dem Genozid an den Armenier*innen ihre Wut? Mit Gästen wie der Lyrikerin Alisha Gamisch oder der Traumatherapeutin Anna Negreeva entwickeln sie eine aktivistische Alternative zu individualistischer, oft unpolitischer Psychologie. „X3“ bietet so eine der klügsten Perspektiven auf die deutsche Dominanzgesellschaft! Regine Eurydike Hader

„X3“ X3-Kollektiv, 45–120 Min., auf allen gängigen Plattformen

 

Missy Magazine 05/22, Podcast

Griefcast
Der britische „Griefcast“ legte mit dem Thema Trauer und Comedy einen kometen- haften Aufstieg hin. Die Schauspielerin, Komikerin und Autorin Cariad Lloyd begann 2016, prominente Kolleg*innen in ihren Podcast einzuladen, um mit ihnen über den Verlust einer nahestehenden Person oder eines Familienmitglieds zu sprechen. Lloyd, die geprägt ist vom frühen Tod ihres Vaters, nahm dies zum Anlass, um mit anderen über ihre Erfahrungen mit dem Thema Tod, Trauer und Trauma zu sprechen. Das ist sehr anrührend, traurig und zugleich oft komisch. Die absurden Momente sparen Lloyd und ihre Gesprächspartner*innen nicht aus, denn „Griefcast“ ist ein Safe Space, in dem Lachen wie Weinen erlaubt sind. Dieser enttabuisierte Umgang mit dem schwersten aller Themen sowie Lloyds Nahbarkeit und Witz haben ihr ein großes Publikum und zahlreiche Podcast-Preise beschert. Die englische Sprache und der trockene Humor sind ihr Kapital: „Hey Griefsters“, spricht sie ihre Zuhörer*innen liebevoll, doch ohne jeden Pathos an. Treue Hörer*innen warten auf das Buch zum Thema, das die Vierzigjährige mit zwei kleinen Kindern im Lockdown schrieb. „You Are Not Alone“ soll es heißen, wie die Abschiedsworte jeder Episode. Cariad Lloyd hat sich das Thema nicht ausgesucht, es hat sie ausgesucht. Amelie Persson

„Griefcast“ Cariad Lloyd, 40–70 Min. cariadlloyd.com/griefcast

Missy Magazine 05/22, Podcast

You Must Remember This
Was hört St. Vincent am liebsten zum Einschlafen? Der US-Filmpodcast „You Must Remember This“ erfreut sich einer immer größeren Beliebtheit, taugt aber nur be- dingt zur oberflächlichen Berieselung. Seit mehr als zweihundert Episoden nimmt die Filmhistorikerin Karina Longworth in ihren spannenden Audio-Essays die Zuhörer*innen mit in die goldene Ära Hollywoods und wirft einen kritischen Blick hinter die Kulissen der Traumfabrik. Jede der akribisch recherchierten Staffeln beschäftigt sich mit einem übergeordneten Thema und wird von ihr in einen zeit- geschichtlichen Kontext gesetzt. Hier erfahren wir, warum der nahezu vergessene rassistische Disneyfilm „Song Of The South“ von 1946 niemals beim Mickey-Maus- Sender laufen wird und die 2011 verstorbene Drehbuchautorin und Produzentin Polly „The Invisible Woman“ Platt in den Siebzigerjahren eine prägende Figur Hollywoods war. Longworth ist eine großartige Geschichtenerzählerin, ihre Analysen gehen weit über die üblichen Nerd-Plaudereien hinaus. Von den Verstrickungen des Sektenführers Charles Manson in der Gegenkultur des Sechzigerjahre-Hollywoods wurde zwar schon oft, doch selten so klug und unreißerisch wie hier erzählt. Auch die aktuelle Staffel um das Erotikkino der Achtziger ist ein Hörgenuss. Die üppigen Show-Notes zu jeder Episode auf der Website laden zur Weiterbildung ein. Katja Peglow

„You Must Remember This“ Karina Longworth, 50–70 Min., auf allen gängigen Plattformen

Dieser Texte erschienen zuerst in Missy 05/22.