Empowerment kostet
Kolumnist*in:
class, mate von Franziska Heinisch
Ich war im Urlaub und wollte mich mal so richtig erholen. Da sitze ich also, lasse, aufs Meer starrend, Füße und – wie man das so sagt – die Seele baumeln. Doch plötzlich wird meine Herumbaumelei jäh von einem dieser Newsletter unterbrochen, die mir empowernde Produkte für die neue Ära feministischer Befreiung verkaufen wollen.
Wir kennen sie alle: Marken, die sich zum Ziel setzen, aufzuklären, eine Bewegung aufzubauen, nein, eine ganze Revolution – alles für das richtige Produkt. Und im Namen des Feminismus. Es gibt unzählige Unternehmen, die versuchen, von Seife über Kleidung bis hin zu Aktien und Autos wirklich alles als Female Empowerment zu verkaufen. Als Feministin von heute soll ich mein Leben und mich mit Feminismus dekorieren, zur Schau tragen, mich ganz in Empowerment hüllen. Irgendwann wird das dann schon seine entsprechende Wirkung zeigen – und das muss es auch, denn schließlich muss ich auf dem Weg eine ganze Menge Geld lassen. Dieses Dilemma wird leider auch mein Rabattcode, ein – wie könnte es anders sein – feministischer Kaufaufruf à la „empowerment123“ nicht auflösen.
Unternehmen, an die ich dabei denke, brüsten sich immer wieder damit, mit ihrer Unternehmenspraxis und dem zu vermarktenden Produkt gesellschaftliche Tabus zu brechen. Aber wenn es ganz blöd läuft, brechen sie Tabus nicht erst im Marketing, sondern schon in der Produktion und nicht bei Fragen des persönlichen Empowerments, sondern bei unsexy Tabuthemen wie Menschenrechten, Arbeitsschutz, Kinderarbeit und Lieferketten. Es sei ihnen verziehen. Denn schließlich will damit niemand einfach mehr nur Profit machen, nein: Man arbeitet für den Purpose. Und im Sinne des Purpose ist alles erlaubt.
Ich habe nichts dagegen einzuwenden, Alternativen zu bisherigen Produkten zu schaffen, die fairer oder nachhaltiger produziert werden. Und natürlich ist es auch gut, wenn sexualisierte und sexistische Darstellungen nicht weiter Kernelement riesiger Werbekampagnen sind. Aber das Empowerment, das mir mittlerweile die Kampagnen jedes zweiten Großkonzerns versprechen, wird sich nie erfüllen. Und davon, dass ein Riesenunternehmen weibliche oder FLINTA*-Sportler*innen zu Markenbotschafter*innen ernennt, haben die Arbeiter*innen weit unterhalb der Chefetagen in den allermeisten Fällen überhaupt nichts. Wir werden uns die Befreiung nicht einfach herbeikonsumieren können, und wir alle wissen das.
Für Werbung wie diejenige, die mich aus meinen Urlaubsträumen gerissen hat, gibt es ein eigenes Wort: Femvertising – zusammengesetzt aus „Feminismus“ und „Advertising“, also Werbung. Hierbei geht es darum, einem Produkt oder der eigenen Marke eine möglichst glamouröse, anschlussfähige und natürlich feministische Verpackung zu verpassen, um relevante neue Zielgruppen zu erschließen. Für besonders erfolgreiche Beispiele in diesem Metier gibt es sogar einen Award. Eine Marketingfirma schreibt zu dem Phänomen: „Da gerade für die Generation Y und Z der Brand Purpose zu einem zentralen Kauf- und Konsumfaktor geworden ist, haben Marken verstanden, dass sie zu den relevanten Themen unserer Zeit Stellung beziehen müssen – darunter auch die Gleichstellung der Geschlechter.“
Von manchen wird das als Rebranding des anrüchigen Wortes „Feminismus“ gefeiert. Immer lautet die These: Offenere Kommunikation und die Popularisierung feministischer Werte sorgten letztendlich dafür, dass auch die Realität, na ja zumindest ein kleines bisschen, gerechter würde. Und zwar vor allem dadurch, dass Menschen sich an den Feminismusbegriff gewöhnen. Oder ihn zumindest sexy finden. Problematisiert wird von Vertreter*innen dieser Auffassung dann höchstens, wenn Marken nicht „authentisch“ ihrem feministischen Bild folgen. Will sagen: Klar, wenn das Female-Empowerment-T-Shirt dann von Näher*innen in Bangladesch zu geringsten Preisen gefertigt wird, hat das Ganze einen faden Beigeschmack. Doch das Problem liegt ganz woanders.
Bei der bereits genannten Marketingfirma heißt es weiter zur Female-Empowerment- Vermarktungsstrategie: „Es werden vermarktungsfähige Werte identifiziert, die nicht zu kontrovers sind, als dass sie Reaktanz erzeugen, aber noch ,Avantgarde‘ genug, ohne bereits als verbraucht zu gelten oder zu sehr im allgemeinen Konsens angekommen zu sein. Während Feminismus laut, unangenehm und vor allem nervend ist, ist Female Empowerment affirmativ, positiv und vermittelt ein gutes Gefühl.“
Nichts davon ist neu. Wütend macht es mich trotzdem.
Ich habe nichts gegen gute Gefühle, zumindest so ganz allgemein. Doch Feminismus erfordert, mit den Verhältnissen, in denen wir leben, brechen zu müssen. Das Patriarchat ist nicht einfach Zuckerwatte, in die wir gehüllt sind und die sich mal eben wegschlecken lässt (trotzdem viel Spaß mit diesem Bild). Das Patriarchat legt uns – wenn wir an dieser Stelle Marx bemühen wollen – in Ketten. Noch dazu ist es untrennbar mit dem Kapitalismus verbunden. Unser Leben wird geformt durch dessen Fokus auf Profit und Kapitalakkumulation. Und durch die Arbeit, die wir leisten, formen wir die durch diese Funktionsweise geprägten gesellschaftlichen Verhältnisse zwangsläufig mit. Daraus lässt sich nicht einfach ausbrechen, auch nicht mit feministischer Ganzkörperausstattung.
Selbstverständlich brauchen wir Empowerment, gegenseitige Bestärkung, Solidarität, kraftgebende Gemeinschaft. Doch wenn wir das leisten, dann nicht, um Wohlfühlstimmung zu verbreiten, sondern um uns zu wappnen für die unangenehmen und nervenden Kämpfe, die wir gemeinsam gewinnen müssen.
Während ich diesen Text schreibe, erhält Italien eine radikal rechte Regierung. Dazu geistert Hillary Clintons Zitat durch die Gegend: „Jedes Mal, wenn eine Frau zum Staatsoberhaupt gewählt wird, ist das ein Schritt voran.“ Ich seufze und weiß, jetzt muss ich den Laptop zuklappen, sonst eskaliert es. Girl boss fascism, here we go. Alles andere wäre eben laut, unangenehm und nervend. Und wer will das schon?