menschen vertrauen

Die Panels in „menschen vertrauen“ sind üppig mit Aquarellfarben gemalt. Körper wirken riesenhaft, während die Köpfe von Panel zu Panel schrumpfen. Die Schrift wirkt wie mit einem Stabilo in die Sprechblasen geschrieben, umgangssprachlich und imperfekt. Derselbe Stabilo zeichnet die groben Gesichtszüge – während Kaffeemaschinen, Teetassen, BHs, ganze Häuser realistisch abgebildet werden. Wie die harte Realität, über die in einem

 

Treffen der Anonymen Alkoholiker erzählt wird. Eine Person in der Runde ist die Hauptfigur Eliza, die gleich ihren fünfjährigen Sohn Justin von seinem drogensüchtigen Vater abholen muss. Die Spoken-Word-Künstlerin erinnert das Leben ihres Sohnes an ihre eigene entbehrungsreiche Kindheit. Auch Justin ist schon frustriert und müde. Schon Tommi Parrishs preisgekrönter Debütcomic „The Lie And How We Told It“ bearbeitete queere Themen. Mit „menschen vertrauen“ kommen Sexarbeit, Consent, Kapitalismus und vermeintliche Mental-Health-Hilfen hinzu. „menschen vertrauen“ ist ein Werk über Verzweiflung und die Möglichkeiten, damit klarzukommen. Simone Bauer


Tommi Parrish

„menschen vertrauen“ ( Aus dem Englischen von Christoph Schuler. Edition Moderne, 208 S., 29 Euro )

Liv Strömquists Astrologie

Der Widder erzählt am Lagerfeuer von seinen polyamourösen Abenteu- ern. Der Krebs schließt sich weinend im Badezimmer ein und plant dort die neue Wohnzimmerdeko. Klingt nach dem typischen Quatsch, wie er auf den Horoskopseiten von Klatsch- und Tratschblättchen abgespult wird, oder? Astrologie ist nicht unbedingt das, was mensch von der schwedischen Comiczeichnerin Liv Strömquist erwartet. Was soll ihr Kernthema, Feminismus, auch mit Aszendenten zu tun haben? Nichts natürlich – und dann doch wieder jede Menge. Auch in ihrer neuesten Graphic Novel befasst sich Strömquist mit ihren Paradedisziplinen: mit historischer und aktueller Ungerechtigkeit, mit schiefen Machtverhält- nissen und dem Sich-Aufbäumen mutiger Menschen gegen ihr vermeint- lich von den Sternen vorherbestimmtes Schicksal. Leichtfüßig packt sie das umfangreiche Recherchematerial in sarkastische Texte, die über, unter und um frech-bunte Zeichnungen herum zum Lesen, Blättern und Weiterdenken einladen. Ein galaktisches Vergnügen! Judith Werner


Liv Strömquist „Liv Strömquists Astrologie“ ( Aus dem Schwedischen von Katharina Erben. Avant Verlag, 176 S., 22 Euro )

 

M.O.M. – Mother Of Madness

Emilia Clarke hat durch ihre Rolle als Daenerys Targaryen in „Game Of Thrones“ viele Nerd-Herzen erobert. In den letzten zwei Jahren hat sie nun an einem noch geekigeren Projekt gearbeitet: einem Comic. Zusammen mit der Autorin Marguerite Bennett und der Illustratorin Leila Leiz hat sie „M.O.M. – Mother Of Madness“ zu Papier gebracht. Die Idee war, eine feministische Superheldin zu erschaffen, die zum einen (alleinerziehende) Mutter ist und zum anderen ihre Superkräfte aus all dem zieht, was sie oder andere an ihr kritisieren. Und am stärksten ist sie dabei, wenn sie ihre Periode hat. Was erst mal sehr nach Vulva Art klingt, ist tatsächlich ein erfrischendes Novum im Mainstream-Comic. Auch wenn es mittlerweile immer mehr Superheld*innen gibt, so ist de- ren Darstellung meist für den male gaze gedacht. Maya, die Superheldin von „M.O.M.“, trägt aus diesem Grund schon mal einen punkigen Jogging- anzug. Ab diesem Punkt kann man allerdings mit der Kritik ansetzen. Maya entspricht in ihrer sonstigen Darstellung immer noch sehr dem westlichen Schönheitsideal, BIPoC, queere und behinderte Charaktere sind nur Nebenfiguren und der Kampf gegen das Patriarchat wirkt am Ende wie ein Manikürevergleich unter weißen cis Feministinnen. Ohne Zweifel ist ein Comic wie „M.O.M.“ absolut notwendig, um die Branche aufzumischen. Da geht aber (in der Fortsetzung hoffentlich) noch mehr. Avan Weis


Emilia Clarke, Marguerite Bennett, Leila Leiz „M.O.M. – Mother Of Madness“ ( Aus dem Englischen von Marion Herbert. Carlsen, 160 S., 23 Euro, VÖ: 28.03. )

Dieser Text erschien zuerst in Missy 02/23.