Mode, die aus dem Boden schießt
Von
Interview: Alena Stuhr
Der Pilz, der oberirdisch einen Fruchtkörper ausbildet, ist eigentlich ein unterirdisches Lebewesen. Dort befinden sich seine Myzelfäden, die hochspezialisiert, extrem gut angepasst und widerstandsfähig sind. Auf der Suche nach Nährstoffen können sie ein riesiges Geflecht bilden, das man auch im Labor züchten und vielseitig verwenden kann. Als Alternative zu Leder wird es bereits von vielen High Fashion Brands wie Hermès, Adidas und Stella McCartney genutzt. Was sind die Vorteile dieses Materials?
Alena Stuhr: Eigentlich hast du es gerade schön beschrieben. Das natürliche Wachstum von Myzel wird genützt, um Pilzleder zu gewinnen. Eigenschaften wie Feuerfestigkeit und das Abweisen von Wasser bringt das Myzel von Natur aus mit, ohne dafür Chemikalien zu benötigen. Während Tierleder immer im Zusammenhang mit enormem CO2-Ausstoß, Wasserverbrauch und toxischen Chemikalien steht,
verspricht das neue Material eine umweltfreundliche Alternative zu sein. Das Myzel bindet während des Wachstums CO2, hat einen geringen Flächenverbrauch und wächst innerhalb kürzester Zeit nach. Damit ist es auch gegenüber der begrenzten Ressource Erdöl im Vorteil, das für Kunstleder benötigt wird. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein, oder? Dass Brands dieses Material nun in ihre Kollektionen integrieren, ist ein Schritt in die richtige Richtung: Es sensibilisiert die Gesellschaft für die Notwendigkeit, Gewohntes auf den Prüfstand zu stellen, und treibt damit die Materialforschung voran. Allerdings verleitet es vielleicht dazu, zu denken, der alleinige Ersatz von problematischen Materialien reiche, um die Dilemmata der Textil- und Modeindustrie zu lösen. Aber mit dem System, in dem das Material funktionieren soll, müssen wir uns gleichermaßen beschäftigen. Wie wird das Material weiterverarbeitet, vermarktet und was passiert am Ende seiner Lebensdauer? Inwiefern werden Konsummuster kritisch hinterfrag…