Wie bist du zur Arbeit mit 3D-Animationen gekommen? 
Ich bin mit Animationen wie z. B. von Pixar oder Studio Ghibli aufgewachsen. Später habe ich gern gezeichnet und gemalt, aber nach meinem Abschluss merkte ich, dass ich keinen richtigen Skill habe. Zeichnungen schienen mich nicht das darstellen zu lassen, was ich wirklich visualisieren wollte. Während des Covid-Lockdowns wurde Motion Graphics sehr gehypt und ich fing an, mich intensiv damit zu beschäftigen.                                    

Wie verläuft dein Schaffensprozess? 
Ich versuche, jede kleine Idee aufzuschreiben. Ich sehe dann z. B. eine seltsame Geste auf der Straße und überlege, was dieser Moment in mir ausgelöst hat. Das versuche ich, in meinem Stil runterzubrechen, und mache eine schnelle Skizze. Dabei frage ich mich, welche Persönlichkeiten diese Figuren haben. Dann setze ich mich an die Komposition und beginne mit den Layern. Ich modelliere, texturiere, animiere … Das sind sehr viele Schritte – ich genieße jeden einzelnen davon.    

Warum sind die Körper in deiner Kunst oft gefesselt, gequetscht oder fast unnatürlich verbogen? Viele fragen mich, ob das Ausdruck eines bestimmten Fetischs sei. Dabei möchte ich auf soziale Beschränkungen hinweisen. Das Leben als Mensch mit einem weiblich und asiatisch gelesenen Körper ist in der europäischen Gesellschaft manchmal schwierig. Denn besonders asiatische Frauen haben es schwer, wenn es um ihre Sexualität geht, da sie sehr objektifiziert werden. Meine Kunst zeigt, wie verzerrt Menschen meinen Körper wahrnehmen.       

Fluiden 3D-Animationen mit Gender-Konventionen.

Wieso sehen wir häufig Animationen verschiedener Körperflüssigkeiten, wie Speichel oder Tränen, in deiner Arbeit? 
Flüssigkeiten sind sehr veränderbar und anpassungsfähig. Auch Genderfluidität beschäftigt mich sehr. Ich weiß nicht, warum Körper und Gender so streng begriffen werden sollten. Ich möchte einfach, dass man sich wie Flüssigkeit ausbreiten kann und akzeptiert wird als die Person, die man ist. Ich finde, Flüssigkeiten wirken auch visuell sehr ansprechend, so klebrig, saftig und intim, wie schmelzender Käse auf einer Pizza. 

Jae Yeon Kim ist 28 Jahre alt und wuchs zwischen Seoul und Incheon in Süd­korea auf. Kim hat in London studiert und verwandelt alltägliche ­Beobachtungen 
in leuchtende, menschenähnliche 3D-animierte Wesen. Dabei ­experimentiert und verfremdet Kim Körper, Gesichtsformen und Hautfarben und bricht aus starren Genderkonventionen aus. Kims Animationen zeigen digitale ­Intimität und beschäftigen sich unter anderem mit der gesellschaftlichen ­Objektifizierung asiatischer 
Frauen. Instagram: @itsmejjjae

Dieser Text erschien zuerst in Missy 01/24.