Porträtaufnahme der Autorin Marlen Haushofer. Die Person hat braune, kürzeres, leicht welliges Haar und trägt einen hellen Pullover. Sie schaut nach unten und liest. In der rechten Hand hält sie eine Zigarette.
Die Autorin Marlen Haushofer wurde von der Literaturgeschichte lange übersehen. Jetzt werden ihre Werke gesammelt neu veröffentlicht. © Manfred Haushofer

Die „Spezialistin für die Mechanik des Patriarchats“ nannte sie die Literaturkritikerin Daniela Strigl – und genau das ist wohl auch der Grund dafür, dass die Autorin Marlen Haushofer von der männlich geprägten Literaturgeschichte gern übersehen wurde. Über fünfzig Jahre nach dem Tod der Autorin erscheint nun im Ullstein Verlag die erste Gesamtausgabe ihrer Werke: fünf Romane und ein Band mit Erzählungen, einige davon bisher unveröffentlicht, mit kurzen wissenschaftlichen Nachworten sowie Vorworten zeitgenössischer Autor*innen – für den Roman „Die Mansarde“ von mir. Die Bücher sind entweder einzeln oder allesamt im Schuber erhältlich. Die 1920 geborene Österreicherin versuchte in den 1950er- und 1960er-Jahren zwei miteinander unvereinbare Leben zu führen: das der Autorin und das der Mutter und Ehefrau. Dass sie schrieb, sahen ihr Zahnarztgatte und ihre Söhne nicht gern, weil es den Familienalltag und die Prioritäten durcheinanderzubringen drohte. Also tat Haushofer es mithilfe von Cola und Kaffee frühmorgens und am späten Abend.

Dazu passt, dass sich fast in allen ihren Büchern Frauen in der Einsamkeit wiederfinden oder einen Ort für sich suchen, der Freiheit bedeutet und das Leben erst erträglich macht. In „Eine Handvoll Leben“ verlässt die Protagonistin Mann, Kind und Liebhaber mittels vorgetäuschten Selbstmords, um ein freies, unabhängiges Leben zu beginnen. Die Protagonistin in „Die Mansarde“, Haushofers letztem Roman, verlagert ihre „unbürgerlichen Ausschweifungen“ in ihre Dachkammer, die andere nicht betreten. In „Die Wand“, Haushofers bekanntestem Roman, wird das Bild des eigenen Raumes konsequent zu Ende gedacht. Die Wand, die ihre Hauptfigur plötzlich vom Rest der Welt trennt, macht jede Flucht unmöglich, ermöglicht aber zugleich erst das Überleben, denn der Rest der Welt scheint von einem Unglück heimgesucht zu sein. Haushofer schrieb ihre Werke nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Holocaust kollektiv verdrängt und Mitschuld und Traumata beschwiegen wurden. Besonders empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist die 19…