Vom Sterben der feministischen Utopie
Von
Von Josephine Apraku
In einer Partner*innenschaft zwischen Frau und cis Mann, die gemeinsam ein Kind haben, stirbt die feministische Utopie einen gewaltsamen Tod. Es tut mir leid, die Überbringerin dieser Botschaft zu sein. Zu gewohnt und akribisch einstudiert sind die gesellschaftlichen Rollen, als dass sie in einer solchen Extremsituationen konsequent kritisch reflektiert werden würden. Vor allem nicht von cis Männern, denn für sie ist es deutlich bequemer, die ihnen zugeteilte Position gar nicht oder nur teilweise zu hinterfragen.
Die sozial zugeschriebene Rolle bietet cis Männern den Raum ihrer eigenen Selbstverwirklichung, sei es im Hinblick auf den Beruf, die Gestaltung ihrer Freizeit oder was auch immer ihnen dazu eben in den Sinn kommt nachzugehen. Öfters habe ich, nicht dass es mir selbst unbekannt wäre, von Freund*innen gehört, dass ihr Partner völlig selbstverständlich seine persönlichen Ziele verfolgt. Von Frauen – von mir – wird erwartet, mich aufopferungsvoll meiner neuen Rolle als Mutter zu widmen, denn das wird als Ziel meiner Selbstverwirklichung missverstanden.
Die Beweihräucherung von cis Männern, die ein Mindestmaß an Sorge für ihre EIGENEN Kinder tragen, ist enorm. So wurde z. B. meinem Partner nach einem meiner Workshops dafür gedankt, dass er auf sein EIGENES – aus freien Stücken selbst gezeugtes Wunschkind – aufpasst, damit ich – offenbar in die 1950er zurückgereist – arbeiten darf. Ja, wirklich, auch an dieser Stelle noch mal von mir vielen Dank .*Ironie aus*.
Als Mutter bin ich erpressbar geworden und mache deshalb nicht selten gute Miene zum bösen Spiel. Als Partnerin in einer Beziehung ohne Kind, womöglich in einer eigenen Wohnung, ist es vergleichsweise gut möglich, sich zu entziehen und Grenzen abzustecken: Den sexistischen Strategien, derer sich cis Männer regelhaft – wenn auch unbewusst – bedienen, sei es im Hinblick auf die Aufteilung der Hausarbeit oder auch der Beziehungsarbeit, kann so zumindest zeitweise entgangen werden. Mit Kind ist die Situation eine völlig andere.
Um meinen Standpunkt klarzumachen, konnte ich früher beispielsweise konsequent jegliche Hausarbeit liegen lassen, bis die Wohnung in einem Zustand des totalen Chaos versank, das irgendwann für alle untragbar war. Auch in Streitsituationen agiere ich in Teilen anders. Mir fehlen die Zeit und die Energie, um mich für alle aufkommende Wut gleichermaßen emotional zu verausgaben. Außerdem ist mir wichtig, Konflikte nach Möglichkeit schnell und produktiv beizulegen oder zumindest zu pausieren, weil ich nicht möchte, dass das Baby ständig in schlechter Stimmung leben muss.
Ich entscheide mich oftmals für das Wohl des Kindes: Im Streit, in dem es um gerechtere Aufteilung von Sorgearbeit geht, reiche ich die Hand und versuche, wenigstens einen Waffenstillstand herbeizuführen. Ich wechsele die Windel zum xten Mal selbst, weil die im Zweifelsfall leidtragende Person das Baby und nicht der Partner ist. Auf Kosten des Kindes mag ich, selbst wenn es mein innigster Wille ist, kein Exempel statuieren. Deshalb bin ich erschreckend erpressbar. Ist so.
Die gute Nachricht ist: Widerstand ist möglich. Immer. Auch jetzt. Klar, dieser Widerstand sieht anders aus, muss er, mein Alltag als Mama, Berufstätige und Partnerin, und auch die Zuschreibungen sind ein bisschen andere. Dennoch, obwohl auch das ein zusätzlicher Kraftakt zu all meinen Aufgaben ist, finde ich neue Wege, für mich – und letztlich auch für das Kind – einzutreten.