Feministische Familiensprechstunde von Josephine Apraku

Als ich mir heute Morgen kaltes Wasser in mein Gesicht spritze und das Kind irgendwo in der Wohnung Kinderdinge treibt, kommt mir der Gedanke, dass ich von meiner Mutter eine feministische Superkraft mitbekommen habe. Ich bemerke immer wieder, dass der Umstand, dass ich bei einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen bin, mich prägt. Ich meine damit eine gewisse Gelassenheit, die ich durch meine Mama als Elternteil heute habe: Es ist die Kunst, inmitten des Chaos leben zu können, es zu akzeptieren und die Dinge zu schaffen, die mir wichtig sind, und die Dinge, die ich schaffen muss. Es ist keine Superkraft, die ich im klassischen Sinn geerbt hätte, sondern eine, die ich an ihr selbst erlebt habe.

© Xueh Magrini Troll

Auch wenn es so klingen mag, daran ist rein gar nichts spirituell. Im Gegenteil, das ist eine ziemlich alltägliche Sache: Wenn ich müde bin und nicht mehr kann, dann mache ich Tiefkühlpizza oder hänge mit Kind – bei einem guten Stück Kuchen, das weiß auch mein Kind zu schätzen – auf der Couch. Ich finde es auch völlig in Ordnung, dass mein Kind etwas guckt, während ich mich erhole und etwas schlafe oder lese – ich finde die meisten Argumente gegen die Glotze und Tiefkühlessen eh ziemlich klassistisch. Und obwohl ich deutlich lieber in einem minimalistischen Tempel mit Sichtbetonbad und so einem Schnickschnack leben würde (don’t blame me, I’m a libra), kann ich über Wochen und sogar Monate hinweg akzeptieren, dass es bei mir zu Hause scheiße aussieht. Tatsächlich ist das hier kein Plädoyer dafür, grundsätzlich alles fallen zu lassen.

Die Sache ist doch die, ich will meinem Kind nicht vormachen, dass ich immer alles kann. Das kann ich nämlich nicht: Meine Energie und meine Kreativität sind begrenzt. Und ich möchte ja auch, dass mein Kind lernt, die eigenen Grenzen an sich wahrzunehmen und sich Pausen und Ruhe zu gönnen. Dafür möchte ich ein Vorbild sein. Ich denke da an eine Untersuchung, in der Männer angaben, dass ihre Väter vor ihnen kaum geweint oder Gefühle wie Trauer geäußert hätten. Ich glaube, dass ein Äquivalent dazu die Erschöpfung von Müttern ist. So wichtig, wie es ist, dass Männer einen Ausdruck und einen Umgang mit ihren Gefühlen finden, der ihnen und anderen nicht schadet. So wichtig ist es, dass Mütter Grenzen in all dem „Müssen“ setzen können und eine gute Zeit haben – was auch immer das im Einzelnen bedeuten mag.

Josephine Apraku

ist nicht mehr ganz so neues Elternteil, macht Bildungsarbeit zu Diskriminierungskritik, schreibt Dinge und gründet gerade neu.

Wenn ich heute an meine Kindheit zurückdenke, dann sind es vor allem die ruhigen Tage, an denen ich mit meiner Mama zu Hause war, Disneyfilme schaute und Süßigkeiten aß, als würden sie bald verboten, die mir in guter Erinnerung sind. Es sind die Tage, an denen auch meine Mutter etwas zu Ruhe kommen konnte, an denen wir nicht ständig dem Alltag und irgendwelchen Erwartungen an uns hinterher hetzen mussten. Wir haben nicht geruht, weil wir alles erledigt hatten, sondern weil meine Mama Raum dafür gemacht hat und sich dafür entschieden hat, dass der Zustand der Küche nicht viel wichtiger ist als unser Frieden.